Ehevertrag benachteiligt Frau angemessen und ist sittenwidrig

Wenn die Ehefrau einerseits von Vollzeit auf Halbtagsarbeit wechselt, um dem Ehemann für seine berufliche Tätigkeit den Rücken freizuhalten, gleichzeitig aber in einem Ehevertrag Gütertrennung, Ausschluss des Unterhalts und des Versorgungsausgleichs vereinbart werden, kann dies eine regelrecht verwerfliche Gesinnung des Ehemannes und eine subjekt einseitige Benachteiligungsabsicht gegenüber seiner Ehefrau erkennen lassen.

Die Parteien hatten im Jahre 1990 die Ehe geschlossen. Der Antragsteller brachte zwei Töchter aus erster Ehe in die neue Ehe mit, die erste Ehe der Ehefrau war kinderlos. Vor der Eheschließung hatten die Eheleute einen notariellen Vertrag geschlossen, in dem sie Gütertrennung vereinbarten und den Unterhalt auch für den Fall des Alters und der Krankheit sowie den Versorgungsausgleich ausschlossen.

Nach Eheschließung in Halbtagstätigkeit gewechselt

Die bisher als Verwaltungsangestellte in Vollzeit tätige Frau sollte nach dem Willen beider Parteien in Zukunft nur noch halbtags arbeiten. Der Ehemann verpflichtete sich, im Fall der Scheidung seiner Frau die Nachteile auszugleichen, die dieser aus der Reduzierung ihrer Berufstätigkeit erwachsen würden. Nachdem die Ehefrau eine Zeit lang halbtags gearbeitet hatte, schied sie ganz aus der Berufstätigkeit aus. Seit dem Jahre 1995 bezog sie eine Vollrente.

Ehefrau verlangt Unterhalt

Nach der Scheidung forderte die Ehefrau von ihrem geschiedenen Mann Unterhalt, zunächst in Höhe von 2.500 EUR monatlich. Unter Hinweis auf den geschlossenen Ehevertrag wies das Amtsgericht das Begehren der Ehefrau zurück. Mit ihrer hiergegen eingelegten Beschwerde verfolgte sie ihr Unterhaltsbegehren in Höhe von 2.000 EUR monatlich weiter. Sie machte geltend, der Ehevertrag sei sittenwidrig und daher unwirksam.

Wenn vertraglichen Vereinbarungen einseitig sind

Nach Auffassung des OLG beinhaltete der Ehevertrag eine unangemessene Benachteiligung der Ehefrau. Dies erweise sich schon durch den umfassenden Ausschluss jeglicher Unterhaltsansprüche auch wegen Alters und Krankheit. Diese Unterhaltsansprüche gehörten zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts. Ihr  Ausschluss sei nur ganz ausnahmsweise möglich. Hinzu komme die einseitig benachteiligende Vereinbarung der Gütertrennung.

Wenn die Ehefrau dem Ehemann den Rücken für ungestörte berufliche Tätigkeit freihält

Die Eheleute hätten vereinbart, dass die Ehefrau ihre Vollzeitberufstätigkeit in eine Halbzeittätigkeit umwandeln solle. Mit dieser Abrede hätte offensichtlich erreicht werden sollen, dass die Ehefrau ihrem Ehemann den Rücken für dessen ungestörte berufliche Tätigkeit freihalte.

  • Dies sichere ihr zwar eine finanziell angenehme Existenz während der Ehezeit „im goldenen Käfig“,
  • im Falle einer Scheidung stehe sie nach einer solchen Vereinbarung jedoch als Bittsteller dar.

Dies offenbare eine regelrecht verwerfliche Gesinnung des Ehemannes und lasse eine subjektiv einseitige Benachteiligungsabsicht gegenüber seiner Ehefrau erkennen. Dies widerspreche diametral dem gesetzlichen Leitbild der Ehe (BGH, Beschluss v. 31.10.2012, XII ZR 129/10). Damit nicht genug sei auch noch Versorgungsausgleich ausgeschlossen worden, so dass sich die Gesamtregelung als eine einseitige sittenwidrige Vereinbarung zu Lasten der Ehefrau darstelle.

Voller Unterhalt

Aus der Sittenwidrigkeit des Ehevertrages schlussfolgerte der Senat die volle Unterhaltsverpflichtung des Ehemannes. Dieser sei leistungsfähig. Zwar beziehe auch er seit dem 01.01.2010 eine Vollrente. Er habe aber zugegeben, dass er in der Steuerberaterkanzlei, die er in Sozietät mit seiner Tochter betrieb, umfangreich weiterarbeite.

Dies sei auch erforderlich, um die Vielzahl an Immobilien, die er zur Alterssicherung erworben habe, zu finanzieren. Die Restzahlungen seien in den Jahren 2018-2020 fällig. Damit sei er ohne weiteres leistungsfähig, den Unterhalt in der geforderten Höhe zu zahlen. Von seiner Ehefrau könne demgegenüber eine Erwerbstätigkeit nach Erreichen der Altersgrenze nicht mehr verlangt werden. Insoweit sei die Unterhaltsforderung angemessen und bedarfsgerecht.

Kürzung des Einsatzeinkommens grundsätzlich möglich

Nach Auffassung des Senats ist die Berufstätigkeit des Ehemannes nach Erreichen der Altersgrenze zwar überobligatorisch, d.h. er wäre hierzu nicht verpflichtet. Die Einkünfte aus einer solchen überobligatorischen Tätigkeit könnten bei der Berechnung des Unterhalts grundsätzlich gekürzt werden.

Die Kürzungsmöglichkeit hänge nach der Rechtsprechung des BGH vom Zweck der überobligatorischen Tätigkeit ab (BGH, Beschluss v. 01.12.2010, XII ZB 227/10). Vorliegend komme eine Kürzung deshalb nicht in Betracht, weil der Ehemann seine Tätigkeit als Steuerberater vornehmlich zu dem Zweck weiter ausübe, um die zur Alterssicherung erworbenen Immobilien zu finanzieren.

Damit sei diese zusätzliche Tätigkeit zur Rückführung der Schulden zwingend notwendig und seit langem geplant. Diese Planung habe bereits die Ehe der Parteien geprägt. Eine Kürzung dieser Einkünfte im Rahmen der Unterhaltsberechnung komme daher nicht in Betracht.

Altersrente wirkt nicht einkommenserhöhend

Bei der Berechnung der Unterhaltsansprüche der Ehefrau berücksichtigte der OLG - Senat weder die vom Ehemann bezogene Altersrente noch den Altersstufenfreibetrag, da diese zusätzlichen Einkommensvorteile nicht eheprägend gewesen seien und daher nicht einkommenserhöhend berücksichtigt werden dürften.

Die Obergrenze des Einsatzeinkommens bleibe damit das bisherige Einkommen. Unerheblich war nach Ansicht des Senats die - nicht ganz glaubhafte - Behauptung des Ehemanns, seine Tätigkeit in der Steuerberaterkanzlei zum 01.01.2012 eingestellt zu haben. In diesem Fall wäre nach Auffassung des Senats der Ehemann zur Verwertung des zur Alterssicherung erworbenen Immobilienvermögens verpflichtet, um auf diese Weise seine Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grunde sei sein bisheriges Einkommen auch in diesem Fall bei der Unterhaltsberechnung unvermindert fortzuschreiben

Überobligatorische Tätigkeit darf reduziert werden

Allerdings wies das OLG darauf hin, es sei dem Ehemann unbenommen,  seine überobligatorische Tätigkeit peu a peu zu reduzieren oder auch ganz einzustellen. An seiner Unterhaltsverpflichtung  ändere dies infolge der Möglichkeit der Verwertung seiner Immobilien allerdings nichts. Darüber hinaus stellte das OLG klar, dass nach diesen Bewertungen auch der Ausschluss des Versorgungsausgleichs unwirksam war. Die Beschwerde der inzwischen geschiedenen Ehefrau hatte damit vollen Erfolg.

(OLG Hamm, Beschluss v. 17.10.2013, 4 UF 161/11). 

Vgl. zum Thema Ehevertrag auch:

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Schlagworte zum Thema:  Ehevertrag, Versorgungsausgleich, Unterhalt