Das Rechtsinstitut der Verantwortungsgemeinschaft

Jenseits von Familie und Partnerschaft soll es nach den Reformplänen des Bundesjustizministers Buschmann künftig möglich sein, Verantwortung füreinander zu übernehmen und diese Beziehung rechtlich abzusichern. Mit der Einführung der sog. Verantwortungsgemeinschaft soll ein neues Rechtsinstitut geschaffen werden, das es in dieser Form bislang in Deutschland nicht gab.

Außerhalb von Ehe, Familie und Partnerschaft soll es Menschen künftig ermöglicht werden, ihre Beziehungen zueinander und die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme so abzusichern, wie es ihren Vorstellungen entspricht, z. B. durch Regelungen für die Führung eines gemeinsamen Haushaltes oder die Einräumung von Auskunftsrechten im Krankheitsfall. Diese flexible und selbstbestimmte rechtliche Form des Zusammenlebens soll den Menschen eine rechtliche Sicherheit gegeben, wenn sie dauerhaft im Alltag Verantwortung füreinander übernehmen, aber nicht in einer Liebesbeziehung zueinander stehen und deshalb keine Ehe oder Partnerschaft eingehen wollen. Gemeint sind z. B. Senioren-Wohngemeinschaften, Mehrgenerationenhäuser oder auch bloße Freundschaften. Durch das Reformvorhaben will der Bundesjustizminister den Veränderungen Rechnung tragen, die sich durch den gesellschaftlichen Wandel im Bereich der familiären Strukturen entwickelt haben. Hierzu hat der Bundesjustizminister die Eckpunkte für ein neues Gesetz vorgestellt, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

Voraussetzungen einer Verantwortungsgemeinschaft

Die Verantwortungsgemeinschaft setzt voraus, dass

  • mindestens 2, aber maximal 6 Personen,
  • die volljährig und geschäftsfähig sind,
  • in einem tatsächlichen persönlichen Näheverhältnis zueinander stehen,
  • aber nicht miteinander verheiratet, verpartnert oder in gerader Linie verwandt sind.

Verheiratete Paare können aber einzeln oder zusammen Mitglied einer Verantwortungsgemeinschaft mit weiteren Parteien sein.

Ein räumliches Zusammenleben der Personen ist nicht zwingend erforderlich. Auch findet keine Überprüfung statt, ob das erforderliche Näheverhältnis tatsächlich besteht.

Für das Zustandekommen der Verantwortungsgemeinschaft ist zwingend der Abschluss eines notariell beurkundeten Vertrages erforderlich. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Vertragspartner ausreichend aufgeklärt und beraten werden.

Stufenmodell als Rechtsfolge

Die Parteien einer Verantwortungsgemeinschaft sollen die einzelnen Rechte und Pflichten in verschiedenen Stufen ausgestalten können.

Dieses Stufenmodell sieht in der sog. Grundstufe nur wenige Rechtsfolgen vor. Hier wird nur an das Bestehen einer persönlichen Nähebeziehung angeknüpft, mit der Folge, dass Vertragspartner einer Verantwortungsgemeinschaft beispielsweise Berücksichtigung finden

  • bei der Auswahl eines rechtlichen Betreuers oder
  • der Möglichkeit einer Organspende.

In der darauffolgenden sog. Aufbaustufe können die Parteien zwischen verschiedenen Modulen wählen und diese frei miteinander kombinieren. Folgende Module sieht das Eckpunktepapier vor:

Modul 1: Auskunft und Vertretung in Gesundheitsangelegenheiten

Ähnlich wie beim Ehegattennotvertretungsrecht nach § 1358 BGB sollen die Partner einer Verantwortungsgemeinschaft berechtigt sein, in gesundheitlichen Notsituationen von den behandelnden Ärzten Auskunft zu verlangen und die anderen Partner zu vertreten, wenn diese hierzu selbst nicht imstande sind. Es bestehen in diesem Modul also im Krankheitsfall

  • gegenseitige Auskunfts- und Vertretungsrechte der Mitglieder und
  • die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht.

Damit wird eine Absicherung für Notfälle geschaffen, wodurch eine gerichtlich angeordnete Betreuung vermieden werden kann.

Modul 2: Zusammenleben

Sofern die Mitglieder der Verantwortungsgemeinschaft auch räumlich zusammenleben, haben sie die Möglichkeit, sich bei der Haushaltsführung eine gegenseitige Verpflichtungsermächtigung einzuräumen, sodass jeder Partner berechtigt ist, bei Bedarf Grundnahrungsmittel oder notwendige Haushaltsartikel mit Wirkung für und gegen alle einzukaufen. Daraus soll allerdings nicht zwingend auf eine sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft geschlossen werden können.

Zudem soll im Falle des Zusammenlebens bei einer Beendigung der Verantwortungsgemeinschaft auch geregelt werden, inwieweit eine vorübergehende Wohnungsüberlassung möglich ist.

Modul 3: Pflege und Fürsorge

Angedacht ist hier, die Regelungen des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes über die Pflege von nahen Angehörigen ganz oder teilweise auch auf die Pflege von Mitgliedern einer Verantwortungsgemeinschaft zu erstrecken. Eine Pflicht zur Pflege unter den Mitgliedern der Verantwortungsgemeinschaft soll allerdings nicht begründet werden.  Details sieht das Eckpunktepapier noch nicht vor. Vielmehr sollen die Einzelheiten im Zuge der Erarbeitung des Gesetzentwurfs geprüft werden.

Modul 4: Zugewinngemeinschaft

Bei der Auswahl dieses Moduls werden die für Eheleute geltenden gesetzlichen Regelungen über den Zugewinnausgleich angewendet. Im Falle der Beendigung der Verantwortungsgemeinschaft ist also das während ihres Bestehens erworbene Vermögen zwischen den Vertragspartnern auszugleichen. Um diese Auseinandersetzung nicht zu kompliziert zu gestalten, ist das Modul Zugewinngemeinschaft beschränkt auf eine Verantwortungsgemeinschaft, die aus lediglich 2 Personen besteht. Zudem können die Regelungen zur Zugewinngemeinschaft nicht vereinbart werden, wenn einer der Parteien mit einer dritten Person verheiratet ist.

Durch dieses Stufenmodell können die Vertragspartner individuell gestalten, wie viel Verantwortung sie füreinander übernehmen wollen. Entscheiden die Parteien sich für eine höhere Stufe, gehen sie damit auch wirtschaftliche Risiken und Verpflichtungen ein, ähnlich wie bei der Eheschließung. Gleichwohl sieht das Eckpunktepapier keine finanziellen Vergünstigungen beispielsweise im Steuerrecht vor, die wertmäßig den Vergünstigungen entsprechen, die Eheleuten zugutekommen. Insbesondere sollen für die Mitglieder einer Verantwortungsgemeinschaft keine Steuerfreibeträge bei Erbschaft und Schenkung gelten. Auch erbrechtlichen Folgen sind nicht geplant. Dadurch soll dem besonderen Schutz der Ehe im Grundgesetz Rechnung getragen werden.

Auswirkungen auf das Verhältnis von Eltern zu Kindern soll die Verantwortungsgemeinschaft ebenfalls nicht haben. Demzufolge wird auch das Namensrecht, das Sorgerecht und das Adoptionsrecht nicht berührt. Ebenso wenig soll eine Aufenthaltsberechtigung oder eine Arbeitserlaubnis durch eine Verantwortungsgemeinschaft begründet werden können.

Beendigung der Verantwortungsgemeinschaft

Der notariell beurkundete Vertrag über die Begründung einer Verantwortungsgemeinschaft kann jederzeit einvernehmlich aufgelöst werden. Dies soll im Gegensatz zur Ehescheidung, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist und eines gerichtlichen Verfahrens bedarf, unbürokratisch möglich sein. Neben der einvernehmlichen Auflösung soll der Austritt durch einseitige Erklärung ohne Einhaltung einer Frist möglich sein, ohne dass – wie bei der Scheidung – festgestellt werden müsste, dass die Beziehung zerrüttet ist.

Besteht die Verantwortungsgemeinschaft nur aus 2 Personen, endet sie automatisch mit dem Tod einer der beiden Mitglieder. Bei mehreren Personen wird im Falle des Todes eines der Mitglieder die Verantwortungsgemeinschaft mit den übrigen Mitgliedern fortgeführt.

Ausblick

Die detaillierte Ausgestaltung des Gesetzentwurfs bleibt abzuwarten. Insbesondere ist infrage zu stellen, ob die Verantwortungsübernahme auch in wirtschaftlicher Hinsicht für die Beteiligten interessant ist, wenn kaum ein finanzieller Ausgleich beispielsweise in steuerrechtlicher Sicht vorgesehen ist. So dürfte vor allem bei der Auswahl des Moduls Zugewinngemeinschaft Zurückhaltung zu erwarten sein, wenn die sich die daraus ergebenden Ausgleichsforderung – wie im Eckpunktepapier vorgesehen – der Erbschafts- und Schenkungsteuer unterliegt und nicht steuerlich begünstigt wird. Umgekehrt muss sich das Rechtsinstitut natürlich von der Ehe unterscheiden, die dem besonderen Schutz des Grundgesetzes unterliegt. Wie praktikabel die Regelungen tatsächlich sind, bleibt der Entwicklung in der Praxis abzuwarten.

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Schlagworte zum Thema:  Familienrecht, Reform, Vorsorge, Auskunftsanspruch