Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßgebliche Hinweistatsachen für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft

 

Orientierungssatz

1. Von dem Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft i. S. von § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB 2 ist dann auszugehen, wenn die Partner in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenleben, dass der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.

2. Bei einem kürzeren Zusammenleben als einem Jahr fehlt es lediglich an der gesetzlichen Vermutung eines Einstandswillens. Bei Vorliegen entsprechender Hinweistatsachen kann dennoch ein Verantwortungs- und Einstandswille gegeben sein. Maßgeblich neben der Beurteilung der gemeinsamen inneren Beziehung der Partner ist u. a., dass sie mit dem vorhandenen Einkommen zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse einsetzen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung höherer Regelleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 01.02.2016 bis 31.07.2016.

Die 1971 geborene Klägerin verzog zum 01.08.2010 die Klägerin mit dem Zeugen K. aus getrennten Haushalten in Castrop-Rauxel in die 3-Zimmer-Wohnung im H. 9 in Mülheim an der Ruhr, um dort gemeinsam zu leben. Die Wohnung hat ein Schlafzimmer, ein Kinderzimmer, das als Esszimmer genutzt wird, ein Wohnzimmer, eine Küche und ein Bad. Die Klägerin und der Zeuge K. unterschrieben gemeinsam den Mietvertrag für diese Wohnung. Der Zeuge K. erklärte in der Vorsprache bei der Beklagten am 06.07.2010, er und seine Lebensgefährtin, die Klägerin, seien ab 01.08.2010 eine eheähnliche Gemeinschaft und beantragte ausdrücklich gemeinsame Leistungen. In der Folge gewährte die Beklagte der Klägerin und dem Zeugen K. laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als eheähnliche Lebensgemeinschaft, die auf Anweisung des Zeugen K. auf das Konto der Klägerin ausgezahlt wurden.

Zum 31.05.2013 trennten sich die Klägerin und der Zeuge K ... Der Zeuge K. verzog nach Castrop-Rauxel. Den gemeinsam abgeschlossenen Mietvertrag ließen die Klägerin und der Zeuge K. fortbestehen. Aufhebungs-/Änderungsbemühungen seitens der Mietparteien gegenüber dem Vermieter gab es nicht.

Unter dem 15.07.2015 stellte der Zeuge K. bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Dabei gab er an, mit der Klägerin ab 01.09.2015 in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Er ziehe zum 01.09.2015 wieder zu der Klägerin in die Wohnung im H. 9 in Mülheim an der Ruhr, für die eine monatliche Grundmiete i.H.v. 296,68 EUR zzgl. monatlicher Nebenkosten i.H.v. 112 EUR zzgl. monatlicher Heizkosten i.H.v. 134 EUR, insgesamt eine monatliche Bruttowarmmiete i.H.v. 542,68 EUR anfällt. Die ALGII-Leistungen sollten wieder auf das Konto der Klägerin überwiesen werden. Der Zeuge K. hat ausweislich des Versicherungsscheines vom 11.08.2015 eine Hausratversicherung für den Hausrat in der gemeinsam mit der Klägerin bewohnten Wohnung. Private Renten- und Lebensversicherungen bestehen nicht. Die Beklagte gewährte der Klägerin und dem Zeugen K. mit Bescheid vom 24.09.2015 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum 01.09.2015 bis 31.01.2016. Dieser Bescheid ist bestandskräftig.

Unter dem 18.12.2105 stellte die Klägerin mit dem Zeugen K. einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab 01.02.2016. Die Beklagte bewilligte der Klägerin und dem Zeugen K. mit Bescheid vom 25.01.2016 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Bedarfsgemeinschaft. Hiergegen wendeten sich die Klägerin und der Zeuge K. mit Widerspruch vom 03.02.2016. Sie seien keine Bedarfsgemeinschaft. Ein Vermutungstatbestand des § 7 Abs. 3a SGB II sei nicht erfüllt. Die Konten seien strikt getrennt. Es bestünden keine Zugriffsmöglichkeiten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2016 als unbegründet zurück. Es bedürfe im vorliegenden Fall keines Vermutungstatbestandes. Der Zeuge K. habe eindeutig erklärt, mit der Klägerin in einer Bedarfsgemeinschaft zu leben. Angesichts des vorangegangenen gemeinsamen Leistungsbezugs mit der Klägerin sei ihm klar gewesen, welche Bedeutung seine Erklärung hatte. Auch habe er die Überweisung seines ALGII auf das Konto der Klägerin gewünscht. Der vorgängige Bescheid an die Bedarfsgemeinschaft habe weder zu Nachfragen noch einem Widerspruch geführt.

Unter dem 12.04.2016 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Duisburg Klage erhoben. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe keine Bedarfsgemeinschaft bestanden. Der erneute Zusammenzug sei ein Versuch des Miteinanders. Aufgrund der früheren Erfahrung sei unklar, ob diese Gemeinschaft tatsächlich länger Bestand haben werde. § 7 SGB II stelle nicht auf eine eheähnliche Gemeinschaft ab, sondern auf eine Verantwortungsgemeinschaft. Deshalb sei völlig e...

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