Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich ist es nicht als grob fahrlässig im Sinne des § 81 Abs. 2 VVG zu bewerten, wenn ein Versicherungsnehmer nicht kontrolliert, ob seine Ehefrau seiner Aufforderung, das versicherte Wohnmobil abzuschließen, nachgekommen ist. Es obliegt vielmehr dem Versicherer im Rahmen seiner Darlegungs- und Beweislast Anhaltspunkte dafür vorzutragen, weshalb das unter Ehegatten als üblich anzusehende Vertrauen im konkreten Fall nicht angezeigt war.
2. Bei dem Abschluss eines Kfz-Teilkasko-Versicherungsvertrages eines Ehegatten für ein Wohnmobil handelt es sich jedenfalls dann nicht um ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie i.S.v. § 1357 Abs. 1 BGB, wenn die Beteiligung des anderen Ehegatten lediglich darin besteht, das Wohnmobil zu Urlaubs- und Freizeitzwecken mit zu nutzen.
Normenkette
BGB § 1357; VVG § 81 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 2 O 96/20) |
Tenor
Nach durchgeführter Beratung hält der Senat die Berufung der Beklagten übereinstimmend für unbegründet.
Die Berufung der Beklagten bietet danach keine Aussicht auf Erfolg.
Die Beklagte wird deshalb gebeten, binnen zwei Wochen mitzuteilen, ob das Rechtsmittel der Berufung zurückgenommen wird, oder ob es eines förmlichen Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO bedarf.
Es wird abschließend darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme der Berufung die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren gemäß Nr. 1222 KV GKG von vier auf zwei Gebühren reduziert.
Gründe
1. Nach durchgeführter Beratung hält der Senat die Berufung der Beklagten übereinstimmend für unbegründet.
Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger von der Beklagten aus der zwischen den Parteien geschlossenen Teilkaskoversicherung gemäß Ziff. A.2.6.1 der dem Vertragsverhältnis zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) - Stand: 01.11.2018 (im Folgenden: AKB 2018) unter Berücksichtigung einer Selbstbeteiligung von 150,00 EUR und der bereits erfolgten Zahlung in Höhe von 15.916,67 EUR die Zahlung von weiteren 32.133,33 EUR verlangen kann.
Der Versicherungsfall gemäß § 1 S. 1 VVG, Ziff. A.2.2.2 AKB 2018 ist eingetreten, nachdem das versicherte Wohnmobil unstreitig am 00.00.2019 entwendet wurde.
Der Senat teilt die Ansicht des Landgerichts, dass die Beklagte nicht nach § 81 Abs. 2 VVG, Ziff. 2.16.1 AKB 2018 zur teilweisen Leistungskürzung berechtigt ist.
Nach den vorgenannten Regelungen ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Objektiv grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dabei einfachste und nahe liegende Maßnahmen nicht ergreift, die im konkreten Fall jedem hätten einleuchten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.1953 - IV ZR 170/52 -, juris Rn. 9; Urteil vom 29.01.2003 - IV ZR 173/01 -, juris Rn. 10; Prölss/Martin/Armbrüster, 31. Aufl. 2021, VVG § 81 Rn. 30). Grobe Fahrlässigkeit setzt überdies subjektiv ein besonders hohes Maß an Vorwerfbarkeit voraus. Es muss sich um eine auch subjektiv unentschuldbare Pflichtwidrigkeit handeln, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (vgl. BGH, Urteil vom 26.07.2016 - VI ZR 322/15 -, juris Rn. 19; Langheid/Wandt/Looschelders, 3. Aufl. 2022, VVG § 81 Rn. 68; BeckOK VVG/Klimke, 17. Ed. 1.11.2022, VVG § 81 Rn. 38). Deshalb sind auch solche Umstände zu berücksichtigen, die die subjektive, personale Seite der Verantwortlichkeit betreffen; die Annahme grober Fahrlässigkeit bedarf konkreter Feststellungen nicht nur zur objektiven Schwere der Pflichtwidrigkeit, sondern auch zur subjektiven Seite (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2022 - VI ZR 409/19 -, juris Rn. 15). Sowohl für die objektive als auch für die subjektive Seite der groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherer die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.1989 - IVa ZR 57/88 -, juris Rn. 21).
Ferner setzt eine Leistungskürzung voraus, dass der Versicherungsfall durch das grob fahrlässige Verhalten verursacht worden ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.07.2014 - 12 U 44/14 -, juris Rn. 29).
Zutreffend hat das Landgericht nach diesen Maßstäben eine Berechtigung der Beklagten zur Leistungskürzung im Ergebnis verneint. Auch das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Würdigung der Sach- und Rechtslage.
1.1. Das Zurücklassen des regelmäßig genutzten Fahrzeugschlüssels in der Ablage durch den Kläger ist jedenfalls subjektiv nicht grob fahrlässig erfolgt. Denn der Kläger hat unstreitig dafür Sorge getragen, dass der Fahrzeugschlüssel in der Mittagspause nicht im Wohnmobil verbleibt und hierzu seiner Ehefrau zugerufen, diesen Schlüssel mit ins Haus zu bringen. Lediglich aufgrund eines Missverständnisses ist jene dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Hierzu hat das Landgericht überzeugend ausgeführt, dass ein solches M...