Leitsatz (amtlich)

Für die Entscheidung gemäß § 1628 BGB ist gemäß § 1697a BGB maßgebend, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen. Handelt es sich um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, so ist die Entscheidung zugunsten des Elternteils zu treffen, der im Hinblick auf die jeweilige Angelegenheit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt, wobei das Gericht nicht anstelle der Eltern eine eigene Sachentscheidung zu treffen hat (vgl. BVerfG Beschl. v. 4.12.2002 - 1 BvR 1870/02, BeckRS 2003, 20004 Rn. 8).

Im Rahmen der nach § 1697a BGB vorzunehmenden Kindeswohlprüfung ist auch der Kindeswille beachtlich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kind sich im Hinblick auf sein Alter und seine Entwicklung auch eine eigenständige Meinung zum Gegenstand des Sorgerechtsstreits bilden kann.

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Aktenzeichen 24 F 12/22)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 18. Februar 2022 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Eltern gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind getrennt lebende Eheleute und die Eltern d. hier betroffenen 15jährigen A. und d. nahezu neunjährigen B. Die beiden Kinder haben ihren Lebensmittelpunkt im Haushalt der Mutter und nehmen im 14tägigen Rhythmus Wochenendumgang mit dem Vater wahr und verbringen auch die Hälfte der Ferienzeit bei ihm.

Die Eltern sind nicht einig über die Frage, ob die gemeinsamen Kinder gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 geimpft werden sollen oder nicht.

Die Mutter hat vorgetragen, die Kinder selbst wollten beide geimpft werden. Sie wolle mit ihrer Zustimmung zu einer Impfung den Schutz der Kinder gewährleisten und dass sie bei einer Erkrankung keinen schweren Verlauf erlitten und gegebenenfalls Folgeschäden abgewendet würden. Die Kinder litten sehr unter den Einschränkungen, denen sie ausgesetzt seien. D. A. werde in der Schule oft angesprochen, weil ... nicht geimpft sei.

Die Mutter hat beantragt,

ihr die alleinige Entscheidungsbefugnis bezüglich der Impfung der Kinder gegen das Corona-Virus zu übertragen und den Antrag des Vaters, ihm die entsprechende Entscheidungsbefugnis allein zuzuweisen, abzuweisen.

Der Vater hat beantragt,

den Antrag der Mutter abzuweisen und ihm die alleinige Entscheidungsbefugnis bezüglich der Impfung der Kinder gegen das Corona-Virus zu übertragen.

Der Vater hat vorgetragen,

er halte die Pandemie für so gut wie beendet. Eine Impfung sei nicht erforderlich, weil die Nebenwirkungen der Impfungen viel größer seien. Die Impfstoffe enthielten Wirkstoffe, die eigentlich am Menschen gar nicht ausprobiert werden dürften.

Das Amtsgericht hat den Kindern einen Verfahrensbeistand bestellt und sie sowie die übrigen Beteiligten und den Verfahrensbeistand und die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes in einem Termin persönlich angehört. Mit der angefochtenen Entscheidung hat es der Mutter die Entscheidungsbefugnis über die Frage der Impfung gegen das Corona-Virus für beide Kinder übertragen und den entsprechenden Antrag des Vaters abgewiesen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Vater seinen erstinstanzlichen Antrag weiter und macht geltend, dass Kinder absolut keine schweren Krankheitsverläufe hätten und das Risiko einer Erkrankung nach dem "sogenannten Impfstoff" weitaus höher sei. Allein die Nebenwirkungen des Impfstoffs lösten schlimmere Erkrankungen aus als eine Covid-Erkrankung. Nach Blutentnahme von Impfstoffprobanden sei festgestellt worden, dass sich die im Blut befindlichen weißen Blutkörperchen "unter eckige Strukturen" schöben und dann verstürben, was auf ein "Massensterben" der Probanden hindeute. Der verwendete Impfstoff sei kein Impfstoff, sondern ein "Menschenversuch" und nicht jahrelang erprobt. Der Nürnberger Kodex solle genau vor solchen Menschenversuchen schützen. Er wolle seine Kinder davor schützen. Es gebe keinerlei Impfpflicht, schon gar nicht für Kinder. Nachbarländer stuften Covid mittlerweile als "saisonale Grippe" ein und beendeten allerlei Maßnahmen in diesem Zusammenhang.

Die Mutter beantragt der Sache nach,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie macht geltend, ihre Kinder in jeglichen Situationen schützen zu wollen, selbstverständlich auch bei einer Pandemie. A. sei am Darm und am Herzen vorerkrankt, es sei unklar, wie sich eine Covid-Infektion bei A. auswirken würde. B. sei bei der Geburt schwer krank gewesen, seit dem Kleinkindalter sei ... oft krank, auch bei B. sei nicht klar, wie eine Covid-Infektion ausgehen würde. Die Kinder fühlten sich gerade in einer Zeit, in der alles erlaubt sei, aufgrund der fehlenden Impfung unsicher. Sie frügen täglich, wann sie denn nun geimpft werden könnten.

Zwar gebe eine Impfung keine Garantie, allerdings sei sie selbst geimpft und alle in ihrem Umfeld. Viele hätten das Corona-Virus gehabt und wahrscheinlich durch die Impfung e...

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