Verfahrensgang

LG Cottbus (Aktenzeichen 4 O 433/97)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluß I des Rechtspflegers des Landgerichts Cottbus vom 13 Oktober 1998 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Aufgrund des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 18. Juni 1998 sind von der Beklagten an Kosten 6.466,50 DM nebst 4% Zinsen seit dem 2. Juli 1998 an die Klägerin zu erstatten. Die Klägerin trägt die Kosten der Beschwerde.

 

Gründe

Das noch als Erinnerung bezeichnete Rechtsmittel der Beklagten ist als sofortige Beschwerde anzusehen und gem. § 104 Abs. 3 ZPO, §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 1 RpflG (in der Fassung des Gesetzes vom 6. August 1998, BGBl. I, Seite 2030) zulässig.

Eine Entscheidung über die Abhilfe oder Nichtabhilfe hatte der Rechtspfleger aufgrund der Neufassung des § 11 Abs. 1 RpflG nicht mehr zu treffen (§ 577 Abs. 3 ZPO), wie der Senat rechtsgrundsätzlich entschieden hat (Beschluß vom 7. Januar 1999, Az 8 W 542/98).

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist auch begründet.

Die in S… ansässige Klägerin ließ sich durch eine überörtliche Anwaltssozietät vertreten, der Rechtsanwälte mit Kanzleisitzen in Bo… Be… und L… angehören. Als Prozeßbevollmächtigter vor dem Landgericht Cottbus trat ein Leipziger Anwalt auf, dem die hierfür nötigen Informationen durch die Bo… Anwälte der Sozietät übermittelt wurden. Die Klägerin meldete (u.a.) für ihren L… Prozeßbevollmächtigten je eine 10/10 Prozeß- und Verhandlungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAGO) an und für die Bo… Anwälte zusätzlich eine 10/10 Verkehrsgebühr (§ 52 Abs. 1 BRAGO). Der Rechtspfleger hat die Gebühren des Prozeßbevollmächtigten festgesetzt und die Verkehrsanwaltskosten in Höhe der fiktiven Kosten für eine Informationsreise der Partei (von S… nach C… mit 618,00 DM berücksichtigt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Rüge, bei Beauftragung einer überörtlichen Sozietät falle eine Gebühr nach § 52 Abs. 1 BRAGO überhaupt nicht an. Dem ist beizupflichten:

Ob der auswärtige Anwalt, der in überörtlicher Sozietät mit dem am Prozeßgericht zugelassenen Anwalt verbunden ist, eine Verkehrsanwaltsgebühr verdienen kann oder nicht, ist in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte umstritten (dafür: OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 376; OLG Frankfurt MDR 1994, 213; Herrlein Rpfleger 1995, 399; dagegen: OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 377; OLG München Rpfleger 1995, 432; Kammergericht Rpfleger 1995, 433; Bischof JurBüro 1998, 60; Zöller/Herget, ZPO 21. Aufl., § 91 Rn. 13 „Verkehrsanwalt”; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO 13. Aufl., § 5 Rn. 5).

Auf den ersten Blick könnte man in der Tat meinen, daß die auswärtigen Anwälte der überörtlichen Sozietät, die das als Prozeßbevollmächtigter auftretende Sozietätmitglied aufgrund ihres unmittelbaren Kontaktes mit dem Mandanten informieren, gebührenrechtlich als Verkehrsanwälte i.S.d. § 52 Abs. 1 BRAGO anzusehen seien. Dies jedenfalls dann, wenn sie – wie hier die Bonner Anwälte – bei dem Prozeßgericht nicht zugelassen sind (§ 78 Abs. 1 ZPO) Einer solchen Sichtweise stehen jedoch diejenigen Rechtsgrundsätze entgegen, welche Platz greifen, wenn der Mandant eine Sozietät von Rechtsanwälten beauftragt.

Nimmt ein Mitglied einer Rechtsanwaltsozietät ein ihm übertragenes Mandat an, so handelt er nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes namens der Sozietät; d.h. er verpflichtet nicht nur sich, sondern auch seine Sozien. Der Rechtsuchende, der eine Sozietät beauftragt, will sich nach der Verkehrsanschauung in der Regel gerade die Vorteile zunutze machen, die ihm aus der gemeinschaftlichen Berufsausübung verschiedener Anwälte erwachsen. Daher schulden alle einer Sozietät angehörenden Rechtsanwälte grundsätzlich gemeinsam die Erfüllung der Anwaltspflichten. Grundlage der Verkehrsanschauung über die gleichzeitige Beauftragung aller Sozien und deren Solidarhaftung ist nicht die Unterhaltung einer gemeinsamen Kanzlei, sondern die nach außen kundgetane gemeinschaftliche Berufsausübung. Daher hat der BGH auch bei getrennten Kanzleien in verschiedenen Orten dem Erfordernis der gemeinschaftlichen Entgegennahme von Aufträgen festgehalten (BGH NJW 1991, 49/50). In der eben zitierten Entscheidung ist der BGH auch der – offenbar vom OLG Düsseldorf (a.a.O.) vertretenen Auffassung entgegengetreten, daß eine gesamtschuldnerische Haftung gerade dann eine Ausnahme erfahre, wenn nur einer der assoziierten Anwälte bei dem Gericht zugelassen ist, bei welchem die Sache verhandelt werden soll. Vielmehr wird die gemeinsame Verpflichtung aller Sozien aus dem Anwaltsvertrag nicht dadurch entbehrlich, daß der Mandant die tatsächliche Erfüllung des Vertrages nicht von allen Sozien erwarten kann, etwa weil nicht alle bei dem Prozeßgericht postulationsfähig sind. Der Mandant, der sich an ein Mitglied einer Rechtsanwaltsozietät wendet, kommt in den Genuß der Vorteile gemeinschaftlicher Berufsausübung nur, wenn ihm alle Mitglieder der Sozietät in ihrer gesamtschuldnerischen Verbundenheit für die Vertragserfüllung einste...

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