Alte Rechtslage

Das WEG alter Fassung enthielt keine Regelungen zu Maßnahmen der Barrierefreiheit. Vielmehr waren die Interessen des behinderten Wohnungseigentümers gegenüber denjenigen der übrigen Wohnungseigentümer abzuwägen. Bei dieser Interessenabwägung war neben dem Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG, auf das sich sowohl der behinderte Wohnungseigentümer als auch die übrigen Wohnungseigentümer berufen konnten, aufseiten des behinderten Wohnungseigentümers Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu beachten, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Vor diesem Hintergrund verlieh die Rechtsprechung dem behinderten Wohnungseigentümer einen Anspruch auf

  • Zustimmung zur Anlegung eines behindertengerechten Wegs zur Wohnanlage des an den Rollstuhl gefesselten Erdgeschosseigentümers[1];
  • Anlage eines Rollstuhlwegs, wenn ansonsten die Erreichbarkeit von Sonder- und Gemeinschaftseigentum unbillig erschwert ist[2];
  • Einbau eines Treppenlifts im gemeinschaftlichen Treppenhaus[3];
  • Bau einer Rollstuhlrampe[4];
  • Einbau eines einklappbaren zweiten Handlaufs[5];
  • Einbau einer Tür im Bereich des vorhandenen Fensters.[6]

Grundsätzlich konnten die Wohnungseigentümer zwar auch den Einbau eines Aufzugs im Bereich des gemeinschaftlichen Treppenhauses als Maßnahme der Modernisierung beschließen. Allerdings hatte ein behinderter Wohnungseigentümer hierauf nach früherer Rechtslage keinen Anspruch.[7]

Neue Rechtslage

Nunmehr besteht dem Grunde nach ein entsprechender Anspruch, der freilich danach zu beurteilen ist, ob ein Aufzugseinbau eine "angemessene" Maßnahme darstellt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine bauliche Veränderung, die einem der in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 WEG aufgeführten Zwecke dient, regelmäßig angemessen ist. Die Angemessenheit ist nur ausnahmsweise aufgrund außergewöhnlicher baulicher Gegebenheiten oder eines außergewöhnlichen Begehrens zu verneinen, wenn die bauliche Veränderung bei der Gesamtheit der Wohnungseigentümer zu Nachteilen führt, die bei wertender Betrachtung außer Verhältnis zu ihrem Zweck stehen. Nachteile, die typischerweise aufgrund einer privilegierten baulichen Veränderung eintreten, begründen regelmäßig nicht deren Unangemessenheit.[8]

 

Montage eines Außenaufzugs

Vor diesem Hintergrund stellt die Montage eines Außenaufzugs auch an dem denkmalgeschützten Hintergebäude eines aus 2 Häusern bestehenden Ensembles noch eine angemessene bauliche Veränderung dar, die weder zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage noch zu einer unbilligen Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer gegenüber anderen Wohnungseigentümern führt.[9]

Entsprechendes gilt erst recht für den Fall des Einbaus eines Aufzugs im gemeinschaftlichen Treppenhaus.

Ganz allgemein dienen dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen alle baulichen Veränderungen, die für die Nutzung durch körperlich oder geistig eingeschränkte Personen erforderlich oder auch nur förderlich sind.

Hiervon umfasst sind sämtliche vorbeschriebenen Beispielsmaßnahmen. Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG bezieht sich sowohl auf das gemeinschaftliche Eigentum, das sich im Bereich der Wohnung des Wohnungseigentümers befindet, als auch auf das übrige Gemeinschaftseigentum. Über § 13 Abs. 2 WEG gilt die Vorschrift zudem für das Sondereigentum. In allen Fällen kommt es allein darauf an, dass die bauliche Veränderung der tatsächlichen Wahrnehmung einer rechtlich bestehenden Gebrauchsmöglichkeit durch Menschen mit Behinderungen förderlich ist.

 

Tatsächlich vorliegende Behinderung ist nicht erforderlich

Ob und in welchem Umfang der Wohnungseigentümer oder einer seiner Angehörigen auf die Maßnahme angewiesen ist, spielt keine Rolle. Durch diese abstrakte Betrachtungsweise werden nach Auffassung des Gesetzgebers nicht nur Streitigkeiten über die Notwendigkeit im Einzelfall vermieden, sondern auch dem gesamtgesellschaftlichen Bedürfnis nach barrierefreiem oder barrierereduziertem Wohnraum Rechnung getragen.[10]

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