Flüchtlingsintegration im Arbeitsmarkt: Mehr Engagement gefordert

Die deutsche Wirtschaft hat mehr Engagement für die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zugesagt. Doch dies braucht Zeit. Zehntausende Flüchtlinge sind arbeitslos - und hunderttausende sind noch nicht mal in der Arbeitsvermittlung angekommen.

„Bei der Ausbildung und der Beschäftigung von Geflüchteten engagieren sich nicht zuletzt viele kleine und mittelständische Betriebe“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach diese Woche mit Unternehmensvertretern darüber, wie sich die Eingliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt verbessern lässt.

Weg in die Ausbildung braucht etwa zwei Jahre

Dem DIHK zufolge gab es im Frühjahr fast 140.000 Beschäftigte aus Asylherkunftsländern, rund 30.000 mehr als ein Jahr zuvor. Zudem seien laut Hochrechnung rund 10.000 junge Flüchtlinge in Ausbildung. „Allerdings handelt es sich hierbei in den wenigsten Fällen bereits um Flüchtlinge, die 2015 zu uns kamen“, sagte Schweitzer. „Denn der Weg in die Ausbildung braucht Zeit - nach Erfahrungen der Betriebe etwa zwei Jahre.“ Das liege vor allem an den fehlenden Deutschkenntnissen und dem Asylverfahren. „Die deutsche Sprache ist das A und O für eine Ausbildung.“ Ohne ein Mindestniveau gehe es in Berufsschule und Betrieb nicht.

153.000 arbeitslose Flüchtlinge

Ende August waren bei den Jobcentern und Arbeitsagenturen 153.000 geflüchtete Männer und Frauen als arbeitslos registriert. Nach Einschätzung von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) werden die Flüchtlinge in großem Maß erst 2017 in der Arbeitsvermittlung sein.

DIHK-Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“

Die Industrie- und Handelskammern leisten unter anderem mit dem Aktionsprogramm „Ankommen in Deutschland“ einen Beitrag zur Integration. Allein in diesem Jahr stellten sie rund 20 Millionen Euro zur Verfügung und beschäftigten 170 Mitarbeiter. Ein DIHK-Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ biete mit Unterstützung der Regierung derzeit über 800 Betrieben Erfahrungsaustausch und Unterstützung, so DIHK-Präsident Schweitzer. Laut DIHK haben zwei von drei dieser meist kleinen und mittleren Unternehmen Geflüchtete als Praktikanten, Azubis oder regulär Beschäftigte. Den Firmen gehe es um Unterstützung bei Fragen wie der Überprüfung von Abschlüssen oder der Bedeutung des jeweiligen Asylstatus` für die Sicherheit der Personalplanung.

Handwerk: 6.000 Plätze in speziellem Qualifizierungsprogramm

Ebenfalls aktiv ist der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Er hat mit Unterstüzung der Bundesagentur für Arbeit ein spezielles Qualifizierungsprogramm für Flüchtlinge ins Leben gerufen, für das die Regierung in den nächsten beiden Jahren 20 Millionen Euro ausgeben will. Im Rahmen dieses Programms haben Handwerksbetriebe und die Bundesagentur für Arbeit haben mehr als 6.000 Plätze für Flüchtlinge in überbetrieblichen Bildungsstätten bereitgestellt.

Integrationsgesetz schafft verlässliche Rahmenbedingungen

Schweitzer lobte das Integrationsgesetz, das verlässliche Rahmenbedingungen für Unternehmen und Flüchtlinge bringe. Es mangelt auch nicht an vielen guten Initiativen zur Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Beschäftigung. "Woran wir auch in der Allianz für Aus- und Weiterbildung noch gemeinsam arbeiten wollen, ist ein klar strukturierter Pfad, der junge Flüchtlinge mit Bleibeperspektive Schritt für Schritt zur Ausbildungsfähigkeit und dann in Ausbildung führt", kündigte Schweitzer an. Mit diesem Bündnis wollen Regierung, Wirtschaft und Gewerkschaften die Berufsausbildung stärken.

Dax-Unternehmen bei Integration gefordert

Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, vor allem der Mittelstand sei „sehr aktiv“ bei der Flüchtlingsintegration. Daher habe sich Gabriel zusätzlich in einem Schreiben an die Vorstände der großen DAX-Unternehmen gewandt. Die Rückmeldungen würden in die Gespräche der Kanzlerin mit den Unternehmen einfließen.

Vor allem im Osten Deutschlands läasst das Engagement der Unternehmen für die Flüchtlingsintegration noch zu wünschen übrig: Einer Umfrage von „MDR aktuell“ zufolge beschäftigen die zehn umsatzstärksten Unternehmen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen derzeit nur zwölf Flüchtlinge. Elf von ihnen seien bei den Technischen Werken Dresden als Ein-Euro-Jobber angestellt. Teil der Firmengruppe seien unter anderem die städtischen Verkehrsbetriebe.

Zweifel an Jobperspektiven der Flüchtlinge

Die Mehrheit der Deutschen hat übrigens nur geringe Erwartungen an die Bildung und die Arbeitsperspektiven von Flüchtlingen. So schätzen drei von vier Deutschen den durchschnittlichen Bildungsstand der Flüchtlinge als niedrig ein, wie aus dem aktuellen Bildungsbarometer des Ifo-Instituts hervorgeht. Mehr als jeder Zweite glaubt nicht, dass die Flüchtlinge dabei helfen, den Fachkräftemangel der Wirtschaft zu verringern. Jeder Dritte geht schon davon aus.

Verpflichtende Sprachkurse, Ausweitung der Schulpflicht

Drei Viertel sind für staatlich finanzierte verpflichtende Sprachkurse. 58 Prozent sind für eine Ausweitung der Schulpflicht von 18 auf 21 Jahre für alle jungen Erwachsenen, auch Flüchtlinge, die keinen Abschluss oder Arbeitsplatz haben. 26 Prozent sind dagegen. Ein zweijähriges Bleiberecht nach Abschluss einer Ausbildung befürwortet jeder Zweite, mehr als jeder Dritte ist dagegen.

Staatliche Übernahme von Ausbildungskosten der Betriebe?

Gespalten sind die Bürger bei den Fragen einer staatlichen Übernahme von Ausbildungskosten der Betriebe: 45 Prozent sind dafür, 41 Prozent dagegen. Die meisten sind für eine möglichst gleichmäßige regionale Verteilung von Flüchtlingskindern auf die Schulen. Für eine schnelle Integration von Flüchtlingskindern im Grundschulalter in existierende Schulklassen sind 72 Prozent - unter den Lehrern sind es sogar 83 Prozent.

 

dpa
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