Ablösesumme für Azubis

Eine Ablösesumme für Azubis: Diese Idee soll davor schützen, wertvolle Azubis am Ende der Ausbildungszeit an Konkurrenzunternehmen zu verlieren – und die Ausbildung weiterhin attraktiv halten. Doch Berater Andreas Herde warnt in seinem Kommentar: Das eigentliche Problem werde damit nicht gelöst.

Falls überhaupt noch jemand Zweifel gehabt haben sollte, dann ist spätestens jetzt klar: "The war for talents is over – the candidates have won!" Warum das so ist? Betriebe sollen laut einem Vorschlag von Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer zukünftig Ablösesummen zahlen, wenn sie Azubis gleich nach der Lehre von der Konkurrenz abwerben. Uihhh! Das klingt ein wenig wie eine Anleihe aus der Glitzerwelt des Profi-Fußballs. Die Idee geht allerdings, auch wenn sie zunächst mit einer logischen Kette von Argumenten einherzugehen scheint, vollständig am eigentlichen Thema vorbei. Denn sie lässt den zentralen Spieler völlig außer Acht: den Mitarbeiter.

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Ablösesumme für Azubis: Keine Lösung des Problems

Es klingt zunächst nachvollziehbar: Betriebe bilden junge Arbeitskräfte aus, investieren in Wissen und Fertigkeiten und wenn die Arbeitskräfte dann endlich produktiv und wertschöpfend zu Buche schlagen sollen, kommt jemand und greift sie frecherweise ab. Oftmals aus ganz anderen Branchen.

Das erinnert ein Stück weit an die Entwicklung, dass mittelständische und große Unternehmen früher auf die Dienste von Digitalagenturen zugegriffen haben, jetzt aber selbst digitale Einheiten aufbauen. Und wo bekommen sie das Personal her? Klar! Aus den Agenturen. Darüber kann man sich aufregen. Das kann man als unfair empfinden. Oder man kann es ändern. "Love it, leave it, change it."

Mitarbeiterbindung auch für Azubis

Die Frage, wie man verhindert, dass ein eigener, frisch ausgebildeter Mitarbeiter das eigene Unternehmen verlässt, lässt sich schwerlich zwischen zwei Arbeitgebern mit ein paar Tausend Euro regeln. Entscheidend ist die Sichtweise des Mitarbeiters. Denn am Ende steht doch die Frage: Warum verlässt mich der Mitarbeiter nach der Ausbildung?

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Ernüchternderweise muss der ausbildende Betrieb dann feststellen, dass es selten Regularien sind, die diesen Prozess steuern. Ist ein Mitarbeiter wechselwillig, dann sollte sich jeder Employer selbstkritisch auch die Frage vorlegen, warum das so ist. Oft lautet die niederschmetternde Essenz der Selbstanalyse dann, dass der jeweilige Arbeitgeber für die Wechselambitionen seiner Mitarbeiter mindestens ein Stück weit selbst verantwortlich ist. Es kann allerdings – so ehrlich müssen wir sein – auch Gründe geben, für die am Ende niemand etwas kann.

Ursachen für Fluktuation unter Auszubildenden

Ist es eventuell die Kultur beim bestehenden Arbeitgeber? Die Ausstattung? Die Führungskraft oder die Arbeitsmittel? Dann ändert das. Auch Handwerksbetriebe sollten ein Arsenal an Maßnahmen entwickeln, um gute Mitarbeiter zu halten und zu motivieren. Sie sollten den Anforderungen der Generation Z entsprechen was Flexibilisierung der Arbeitszeit und Ausstattung mit Arbeitsmitteln angeht. Sie sollten neu incentivieren und neu führen. Das gilt nicht nur für große und mittelständische Unternehmen. Das geht auch auf kleinstem Raum.

Abwerbung von Azubis: besser vorbeugen

Und wir wollen in dieser Debatte auch einen Aspekt nicht unterschlagen: Das Ausbildungsunternehmen ist im Kampf um die Weiterbeschäftigung der Auszubildenden oder des Auszubildenden klar in der Pole Position. Der Ausbildungsbetrieb hat in der Regel rund drei Jahre Zeit, die Azubis an jedem Arbeitstag davon zu überzeugen, dass er auch nach der Lehre der richtige Arbeitgeber ist. Kämpfen Sie jeden Tag ehrlich und partnerschaftlich darum, ein Arbeitgeber zu sein, für den Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Auszubildenden gerne arbeiten. Dann stellt sich die Frage nach Ablösesummen meist gar nicht erst.

Gründe für einen Jobwechsel, für die keiner etwas kann, beinhalten zum Beispiel das Gehalt oder den Arbeitsweg. Und entsprechend sollte man das abwerbende Unternehmen dafür auch nicht bestrafen, dass es besser bezahlen kann oder schlicht in der täglichen Anfahrt für den Employee besser erreichbar ist. Denn am Ende ist es doch letztendlich genauso verzweifelt auf der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften.

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Ablösesumme für Azubis: kein Werkzeug der modernen Arbeitswelt

In einer Arbeitnehmerwelt, in der Auszubildende sich den Arbeitgeber mittlerweile aussuchen können, trotz unterschriebenem Arbeitsvertrag gar nicht erst im Ausbildungsbetrieb auftauchen und eine hohe Erwartungshaltung hinsichtlich Arbeitsbedingungen und Kultur haben: Wieso sollte es diese Generation überhaupt scheren, ob das empfangende Unternehmen eine Ablöse zahlt? Sie sind beim nächstbesten Angebot weg. Dem begegnet man nicht mit Regulierung, sondern mit modernen Werkzeugen der neuen Arbeitswelt.


Andreas Herde ist Gründer und Geschäftsführer der HR-Beratungsagentur  YeaHR und spezialisiert auf datengetriebenes Recruiting und Employer Branding.


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