Für die Vorgesetztenbeurteilung gilt dasselbe wie für die Mitarbeiterbeurteilung: Es gibt keine objektiven Beurteilungen.[1] Wenn Menschen andere Menschen beurteilen, wirken immer subjektive Momente mit. Hierbei können die Grundeinstellungen (optimistisch oder pessimistisch) oder die Stimmungslage des Beurteilers während des Beurteilens (positiv oder negativ) eine Rolle spielen.

Ebenso spielen Beurteilungstendenzen eine gewisse Rolle. Die Beurteilungen fallen zu streng, zu milde oder unscharf aus. Die häufigsten Tendenzen sind:

  • Tendenz zur Strenge. Der Beurteiler neigt dazu, hohe Maßstäbe anzulegen.
  • Tendenz zur Milde. Der Beurteiler neigt zu freundlichen, "geschönten" Urteilen. Diese Tendenz ist häufiger anzutreffen als die Tendenz zur Strenge. Hauptgrund: Milde Beurteilungen lassen sich im Beurteilungsgespräch leichter "verkaufen".
  • Tendenz zur Mitte. Die Gründe können sein: Der Beurteiler ist sich über die Leistungen und das Verhalten des Beurteilten nicht im Klaren oder er kann nicht genau beobachten und urteilen.
  • Der "Halo-Effekt" oder "Überstrahlungseffekt" (griechisch: halo = Hof; der Mond überstrahlt bisweilen seine Umgebung und bildet dadurch einen Hof). Der Beurteiler schließt von einem stark hervorstechenden Beurteilungsmerkmal auf die übrigen Merkmale.
  • Der "logische Irrtum". Der Beurteiler vermutet eine logische Verbindung zwischen zwei oder mehreren Merkmalen und beurteilt diese gleich, z. B. wer sich geschickt ausdrücken kann, wird auch für intelligent und leistungsorientiert gehalten.
  • Der "Kontrast-Irrtum". Der Beurteiler beurteilt andere im Kontrast zu sich selbst. Meist bewertet er bei sich selbst besonders ausgeprägte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zu hoch und misst an diesem Maßstab die anderen.
  • Die "Interpretation". Manche Beurteiler neigen dazu, eigene Gedanken, Eigenschaften oder Verhaltensweisen in andere "hineinzuprojizieren", anstatt die wirklichen Gegebenheiten "herauszuholen".
 
Praxis-Tipp

Minimierung von Fehlurteilen

Groß ist die Gefahr von Fehlurteilen, wenn der Beurteiler unter Zeitdruck oder unter dem Einfluss besonderer Stimmungen wie Freude oder Ärger steht. Auch Beurteilungen aus besonderem Anlass oder zu einem bestimmten Zweck können leicht tendenziös ausfallen. Beurteilungsfehler lassen sich vermeiden, wenn man in regelmäßigen Abständen (z.B. halbjährlich), unabhängig von bestimmten Anlässen oder Zwecken und frei von Stimmungen und Einflüssen beurteilt. Vor allem aber sollten Beurteilungen auf einer Vielzahl von Beobachtungen während des gesamten Beurteilungszeitraums erfolgen.

Zusätzlich zu den allgemein geltenden Beurteilungsfehlern und -tendenzen gibt es bei der Vorgesetztenbeurteilung noch einige weitere Problemfelder:

  • Der "Hierarchie-Effekt". Es besteht die Tendenz, in der Hierarchie höher angesiedelte Personen positiver zu beurteilen, weil sie weiter "oben" stehen und deshalb ja besser sein müssen. Die Tendenz: Jemand wird umso besser beurteilt, je höher oben er angesiedelt ist.
  • "Gefälligkeitsatteste" und Schmeichelei. Vorgesetzte werden besser beurteilt als gerechtfertigt, weil sich die Beurteiler davon Dankbarkeit oder Wohlwollen ihrer Vorgesetzten versprechen.
  • "Geschönte" Beurteilungen. Der Mitarbeiter beurteilt den Vorgesetzten besser als gerechtfertigt, weil er bei einer zutreffenden Beurteilung für sich Nachteile befürchtet.
  • Abrechnung oder Rache. Die Mitarbeiter sehen eine Chance, ihrem Vorgesetzten etwas "heimzuzahlen".
 
Hinweis

Subjektivität

Beurteilungen sind grundsätzlich subjektiv, selbst wenn exakte Formulierungen der Beurteilungskriterien, Zahlen bzw. Skalen eine Objektivität suggerieren. Beurteilungen sind stets die Folge von Wechselwirkungen (Verhalten des Vorgesetzten; Abhängigkeit von Beurteilern und Beurteilten), Abhängigkeit von vorgegebenen Kriterien und Fragestellungen und Abhängigkeit von der betrieblichen Situation.

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