Rz. 694

Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt i. S. v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wenn durch die Unternehmerentscheidung ein Arbeitsplatz auf Dauer wegfällt. Aufgrund der Unternehmerentscheidung müssen hinsichtlich der zu verrichtenden Tätigkeit mehr Arbeitnehmer vertraglich gebunden sein, als die zur Verfügung stehende Arbeitsmenge ausmacht.[1] Entscheidend ist allerdings, dass der Arbeitgeber nicht darlegen muss, der konkrete Arbeitsplatz des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers sei weggefallen. Es kommt somit nicht darauf an, ob das Beschäftigungsbedürfnis gerade dort entfallen ist, wo der Arbeitnehmer zuletzt beschäftigt war. Vielmehr ist zu prüfen, ob im Betrieb durch die Umsetzung der Unternehmerentscheidung ein Arbeitskräfteüberhang entstanden ist, der dazu führt, dass das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung für einen oder mehrere Arbeitnehmer entfällt, da sie auf der Grundlage des Arbeitsvertrags nicht mehr eingesetzt werden können.[2] Hierzu hat der Arbeitgeber ausgehend von seiner Unternehmerentscheidung die kündigungsrechtlich relevante Arbeitsmenge zu ermitteln. Er muss feststellen, welche Arbeitnehmer er aufgrund der bestehenden vertraglichen Bindungen für die verringerte Arbeitsmenge einsetzen könnte. Bestehen lediglich gleichartige Beschäftigungsformen, sind alle Arbeitnehmer von der potenziellen Kündigung betroffen. Bei ungleichartigen Beschäftigungsformen, die auch durch unterschiedliche Arbeitsvertragsinhalte manifestiert worden sind, was in größeren Betrieben regelmäßig gegeben sein wird, muss der Arbeitgeber die Anzahl der Arbeitnehmer ermitteln, die vertraglich an die verringerte Arbeitsmenge gebunden sind. Eine Beschäftigungsmöglichkeit entfällt somit, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr entsprechend seinem Arbeitsvertrag eingesetzt werden kann.[3] Die Frage, welcher bzw. welche Arbeitnehmer aus der gebildeten Vergleichsgruppe schlussendlich zu kündigen ist bzw. sind, ist erst auf einer zweiten Stufe im Rahmen der Sozialauswahl zu prüfen.[4]

 

Beispiel

Der Arbeitgeber entschließt sich dazu, aufgrund eines Auftragsrückgangs eine Produktionsmaschine abzubauen. Es entfallen somit die Arbeitsplätze der an dieser Maschine arbeitsvertraglich einsetzbaren Arbeitnehmer. Ob eine Kündigung eben dieser Arbeitnehmer letztlich sozial gerechtfertigt ist, hängt von den sonstigen Beschäftigungsmöglichkeiten auf freien Arbeitsplätzen und der auf zweiter Stufe durchzuführenden Sozialauswahl ab.

Reorganisiert der Arbeitgeber den gesamten Produktionsbereich, ist der Arbeitskräfteüberhang in diesem Bereich zu prüfen.

Legt der Arbeitgeber einen Betriebsteil still, ist die Beschäftigungsmöglichkeit für alle in diesem Teil Beschäftigten entfallen.

 

Rz. 695

Die Organisationsentscheidung muss sich aber trotzdem konkret auf die Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers auswirken und ursächlich für den vom Arbeitgeber behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses sein.[5] Arbeitsplätze in den von der Organisationsentscheidung nicht betroffenen Bereichen oder Betriebsteilen sind, wenn sie frei sind, für die Frage einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit relevant. Sind sie mit einem anderen vergleichbaren Arbeitnehmer besetzt, sind sie für die Frage der Sozialauswahl bedeutsam.

 

Rz. 696

Abgesehen von den normativen Grenzen fällt die Frage, welchen Schlüssel der Arbeitgeber zur Berechnung seines Personalbedarfs zugrunde legt, in den Bereich seiner autonomen Entscheidungsfreiheit. Es gehört zur Organisation und Gestaltung des Betriebs, neben der Anschaffung von Maschinen, Gerätschaften sowie Vorrichtungen und der Gestaltung der Arbeitsabläufe auch die Stärke der Belegschaft, mit der das Betriebsziel erreicht werden soll, festzulegen. Somit ist auch die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, eine unternehmerische Maßnahme, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den korrespondierenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen kann. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich frei darüber entscheiden, wie viele Arbeitnehmer er zur Verwirklichung seines unternehmerischen Ziels benötigt. Er kann somit Arbeitsplätze im Rahmen einer Leistungsverdichtung ersatzlos streichen und die Arbeiten anderen Arbeitnehmern übertragen oder diese rationaler einsetzen, was von der Belegschaft im Ausgangspunkt hinzunehmen ist.[6] Entscheidend ist aber, dass sich der Arbeitgeber in einem Kündigungsschutzverfahren nicht nur auf das Vorliegen einer Leistungsverdichtung beschränken darf. Vielmehr muss er das zugrundeliegende unternehmerische Organisationskonzept darlegen, da die Leistungsverdichtung lediglich das vom Arbeitgeber angestrebte Ziel darstellt; erforderlich ist mithin eine Neuordnung der Arbeitsabläufe. Dies gründet darauf, dass sich andernfalls die Organisationsentscheidung zur Personalreduzierung praktisch mit dem Kündigungsentschluss decken würde, was dazu führt, dass die Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vornherein greifen kan...

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