Rz. 290

Die Kündigung muss geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne (d. h. angemessen) sein. Das gilt für jede Beendigungskündigung durch den Arbeitgeber, "gleichgültig, ob sie auf betriebs-, personen- oder verhaltensbedingte Gründe gestützt ist, und gleichgültig, ob sie als ordentliche oder außerordentliche Kündigung ausgesprochen wird."[1] Diese Voraussetzung wird aus der Formulierung des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG abgeleitet, wonach die Kündigungsgründe die Kündigung "bedingen" müssen, d. h. sie müssen die Kündigung erforderlich machen.[2]

 

Rz. 291

Die Kündigung ist geeignet, Störungen des Arbeitsverhältnisses zu beenden, da sie das Arbeitsverhältnis auflöst.

 

Rz. 292

Sie ist als "ultima ratio" erforderlich, wenn es keine milderen Mittel gibt, um dieses Ziel zu erreichen.

 

Beispiele

Als mildere Mittel kommen eine Abmahnung, die Versetzung, der Abbau von Überstunden, die einverständliche Änderung des Arbeitsvertrags und die Änderungskündigung in Betracht. Eine Beendigungskündigung darf nicht ausgesprochen werden, wenn es eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer gibt.

Die lange andauernde Erkrankung eines Arbeitnehmers kann durch Mehrarbeit der Kollegen oder durch die Einstellung einer Aushilfe überbrückt werden.

Möglicherweise kommt auch die berufliche Weiterbildung als milderes Mittel zur Kündigung in Betracht.[3]

 

Rz. 293

Hat der Arbeitgeber einen Kodex aufgestellt, wie er bei bestimmten Pflichtverstößen zu reagieren gedenkt (z. B. klärendes Gespräch bei Verstoß gegen Loyalitätsobliegenheiten, Nachschulung des Busfahrers bei Verkehrsverstößen), ist er an dieses Verfahren gebunden und kann erst danach kündigen.[4]

 

Rz. 294

Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III soll der Arbeitgeber vorrangig durch betriebliche Maßnahmen (z. B. flexible Arbeitszeiten) die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung (z. B. Kurzarbeitergeld) sowie Entlassungen von Arbeitnehmern vermeiden.[5]

Eine über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinausreichende Bedeutung kommt dieser Vorschrift indes nicht zu.[6]

 

Rz. 295

 
Hinweis

Der Arbeitgeber muss auf das mildere Mittel nur zurückgreifen, sofern es ihm rechtlich und tatsächlich möglich ist. Dem können gesetzliche Regelungen, insbesondere Rechte Dritter, entgegenstehen.

So braucht der Arbeitgeber für eine Versetzung nach § 99 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats. Daneben ist der Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören, wenn eine Änderungskündigung erforderlich ist.[7]

[2] HaKo-KSchG/Pfeiffer, § 1 KSchG Rz. 176.
[3] Vgl. Kurt, RdA 2017, 230-235.
[5] Gagel, BB 2001, 358, 359.
[6] HaKo-KSchG/Pfeiffer, § 1 KSchG Rz. 178.
[7] Vgl. Thüsing, § 102 BetrVG Rz. 1 ff.

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