Rz. 251

Innerhalb der Wartezeit soll der Arbeitgeber den Arbeitnehmer erproben. Bewährt dieser sich nicht, kann der Arbeitgeber "frei" kündigen, d. h. auf die soziale Rechtfertigung der Kündigung kommt es nicht an.

Die Kündigung unterliegt aber den Grenzen der §§ 134, 138, 242 BGB.[1] Dabei ist darauf zu achten, dass über diese Generalklauseln nicht der Schutz des Kündigungsschutzgesetzes auf Arbeitnehmer in der Wartezeit ausgedehnt wird. Nach st. Rspr. des BAG ist eine Kündigung erst dann sittenwidrig, wenn sie auf einem verwerflichen Motiv des Kündigenden beruht, wie insbesondere Rachsucht oder Vergeltung, oder wenn sie aus anderen Gründen dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Auch § 242 BGB ist neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Umstände, die im Rahmen des § 1 KSchG zu würdigen sind und die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt erscheinen lassen können, kommen deshalb als Verstöße gegen Treu und Glauben nicht in Betracht.[2]

 

Rz. 252

Hat der Arbeitnehmer treuwidrig den Zugang innerhalb der Wartezeit verhindert, wird er so behandelt, als sei die Kündigung rechtzeitig zugegangen.[3]

 

Rz. 253

Kündigt der Arbeitgeber rechtsmissbräuchlich kurz vor Ablauf der Frist, um zu verhindern, dass der Arbeitnehmer den allgemeinen Kündigungsschutz erwirbt, muss er sich so behandeln lassen, als sei die Wartezeit schon abgelaufen (Analogie zu § 162 BGB[4]). Ein solcher Rechtsmissbrauch kann aber nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden.

 

Beispiele

Kein Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn der Arbeitgeber vor Ablauf der Wartezeit kündigt, obwohl er den beabsichtigten Kündigungstermin auch dann hätte einhalten können, wenn er nach Ablauf der Wartezeit gekündigt hätte.[5]

Ferner liegt kein Rechtsmissbrauch vor, wenn der Arbeitgeber kurz vor Ablauf der Wartezeit kündigt, um einen Rechtsstreit über die Sozialwidrigkeit der Kündigung zu vermeiden.[6]

Wird die Kündigung vor Ablauf der Wartezeit zum übernächsten Kündigungstermin nach ihrem Ablauf ausgesprochen, kann dies für den Rechtsmissbrauch sprechen.[7]

 

Rz. 254

Allgemeine Vorschriften zum Schutz des Arbeitnehmers greifen zumeist schon innerhalb der Wartezeit, etwa § 102 BetrVG[8], § 612a BGB i. V. m. § 134 BGB[9]. Es empfiehlt sich, den Anwendungsbereich der jeweiligen Vorschrift zu prüfen.

 

Rz. 255

Ob der besondere Kündigungsschutz innerhalb der Wartezeit greift, hängt von der jeweiligen Spezialregelung ab, vgl. etwa § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX, der ebenfalls eine Wartezeit von 6 Monaten vorsieht.

 

Rz. 256

Auch bei der Kündigung innerhalb der Wartezeit des § 1 KSchG sind die §§ 622, 623 BGB (Frist und Form) zu beachten. Dabei gilt grds. die 4-wöchige Kündigungsfrist zur Monatsmitte oder zum Monatsende nach § 622 Abs. 1 BGB, es sei denn, die Parteien haben ausdrücklich eine Probezeit vereinbart. In diesem Fall kann das Arbeitsverhältnis nach § 622 Abs. 3 BGB mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden. Die Probezeit darf längstens 6 Monate betragen. Eine Prüfung, ob die Probezeit bezogen auf die geschuldete Tätigkeit angemessen ist, findet nicht statt. Die Probezeitvereinbarung in einem Formulararbeitsvertrag unterliegt keiner Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Inhaltskontrolle setzt nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Abweichung von Rechtsvorschriften voraus. Daran fehlt es jedoch, wenn die Parteien lediglich den von § 622 Abs. 3 BGB zur Verfügung gestellten Rahmen ausschöpfen.[10] Wird in einem Formulararbeitsvertrag in einer Klausel eine Probezeit und in einer anderen Klausel eine Kündigungsfrist festgelegt, ist klarzustellen, dass diese Frist erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll, damit der Arbeitgeber innerhalb der Probezeit mit der 2-wöchigen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB kündigen kann.[11]

[1] LKB/Krause, KSchG, § 1 KSchG Rz. 83.
[2] BAG, Urteil v. 16.2.1989, 2 AZR 347/88, näher Stelljes, § 242 BGB Rz. 5.
[4] LKB/Krause, KSchG, § 1 KSchG Rz. 87, 88.
[5] HaKo-KSchG/Mayer, § 1 KSchG Rz. 71.
[7] HaKo-KSchG/Mayer, § 1 KSchG Rz. 71.
[8] Vgl. dazu BAG, Urteil v. 23.4.2009, 6 AZR 516/08: Lebensalter und Unterhaltspflichten müssen dem Betriebsrat oder Personalrat nicht mitgeteilt werden)

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