Rz. 65

Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen, die auch Ansprüche bei Haftung wegen Vorsatzes erfassen und deren Geltendmachung im Voraus einschränken, sind wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig.[1] Dies lässt sich allerdings nicht ohne Weiteres auf Ausgleichsklauseln in Aufhebungsverträgen übertragen. Denn hier ist sedes materiae nicht § 202 Abs. 1 BGB, sondern § 276 Abs. 3 BGB anwendbar. Danach kann die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner "nicht im Voraus erlassen" werden. Zulässig ist hingegen ein Verzicht auf bereits entstandene Ansprüche aus vorsätzlicher Schädigung, d.h. Einschränkungen der Vorsatzhaftung nach Abschluss der relevanten Handlungen bzw. nach dem Zeitpunkt, zu dem (bei Unterlassungen) hätte gehandelt werden müssen, sind möglich.[2] Die formularmäßige "Erledigung" von Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers wegen vorsätzlichen Handelns des Arbeitgebers (oder umgekehrt) verstößt daher nicht gegen § 276 Abs. 3 BGB, weil diese Norm nur im Voraus getroffene Vereinbarungen erfasst.[3] Fraglich ist, ob umfassende Ausgleichsklauseln, die auch Ansprüche auf Vorsatzhaftung umfassen, der AGB-Kontrolle standhalten. Insoweit ist § 309 Nr. 7 BGB zu beachten. In Bezug auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen gilt: Eine Klausel, welche die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB nicht beachtet und die deshalb dazu führt, dass bei Nichteinhaltung der Ausschlussfrist Haftungsansprüche verfallen, ist unter angemessener Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (vgl. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) nicht als unwirksam anzusehen.[4] Dies lässt sich auch auf Ausgleichsklauseln in Aufhebungsverträgen übertragen.

 

Rz. 66

Geht man davon aus, dass eine umfassende Ausgleichsklausel grundsätzlich auch Ansprüche auf Vorsatzhaftung erfasst, kommt allerdings im Einzelfall in Betracht, dass eine Berufung auf die Ausgleichsklausel nach § 242 BGB unzulässig ist. So wurde z.B. entschieden, dass der Arbeitnehmer, der durch eine vorsätzliche positive Vertragsverletzung und zugleich durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung seinem bisherigen Arbeitgeber einen Schaden zugefügt hat, gegen den Grundsatz von Treu und Glauben handelt, wenn er seinen früheren Arbeitgeber an der Erledigungs-/Abgeltungsklausel festhalten will, die dieser bei Kenntnis des Sachverhalts in dieser Form nicht vereinbart hätte.[5]

[2] MüKo-BGB/Grundmann, 9. Aufl. 2022, § 276 Rz. 182; BeckOGK/Schaub, 1.12.2023, BGB § 276 Rz. 186; Jauernig/Stadler, BGB, 19. Aufl. 2023, § 276 Rz. 54.
[3] Vgl. Stoffels, RdA 2021, 314, 318.
[5] BAG, Urteil v. 9.3.1972, 1 AZR 165/71, AP BGB § 242 Unzulässige Rechtsausübung-Verwirkung Nr. 10; LAG Düsseldorf, Urteil v. 28.8.2001, 16 Sa 610/01, BeckRS 2001, 41635.

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