Sobald ein Bewerber mit einem potenziellen Arbeitgeber in Verhandlungen über die Einstellung tritt, liegt bereits ein rechtliches Verhältnis, ein sogenanntes vorvertragliches Schuldverhältnis vor.[1]

Dieses begründet bereits vor dem Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses für den Bewerber und den potenziellen Arbeitgeber Nebenpflichten, die bei Verletzung zu Schadensersatzansprüchen führen können.

4.1.1 Vorvertraglicher Hinweis auf Einberufungsbescheid

Liegt dem Bewerber bereits eine Aufforderung zum Antritt des freiwilligen Wehrdienstes vor, muss er seinen potenziellen Arbeitgeber darauf hinweisen. Auf Verlangen des potenziellen Arbeitgebers muss der Arbeitnehmer die Aufforderung zum Antritt nachweisen. Unterlässt der Bewerber diesen Hinweis und verletzt damit die Vorlage- und Unterrichtungspflicht, kann der Arbeitgeber einen Schadensersatz (Verschulden beim Vertragsschluss) gegen den Arbeitnehmer geltend machen.[1]

4.1.2 Fragrecht des Arbeitgebers

Ungeklärt ist bisher die Zulässigkeit der praktisch relevanten Frage des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren, ob der Bewerber zukünftig plant, sich für den freiwilligen Wehrdienst zu verpflichten. Zur Zeit des Pflichtwehrdienstes war die Frage aufgrund des Anknüpfens an das Geschlecht des Mannes und die damit einhergehende mittelbare Benachteiligung verboten.[1] Die Zulässigkeit dieser Frage ist höchstrichterlich nicht geklärt. Hintergrund des Fragerechts des Arbeitgebers ist die Kollision des vorvertraglichen Persönlichkeitsrechts des Bewerbers mit dem beruflichen Interesse des Arbeitgebers. Das Fragerecht besteht nur, wenn der Arbeitgeber an der Antwort ein berechtigtes, billigenswertes und schutzbedürftiges Interesse in Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat. Ein solches liegt vor, wenn das Interesse des Arbeitgebers so gewichtig ist, dass dahinter das Interesse des Arbeitnehmers, seine persönlichen Lebensumstände zum Schutz seines Persönlichkeitsrechts und zur Sicherung der Unverletzlichkeit seiner Individualsphäre geheimzuhalten, zurückzutreten hat.[2] Die Verfügbarkeit des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis ist eine wesentliche Voraussetzung für dessen Erfüllung.[3] Es besteht für den Arbeitgeber vor Eingang des Arbeitsverhältnisses ein großes Interesse an der Information, ob der Bewerber in Zukunft seine Arbeitsleistung erbringen kann oder ob der Arbeitgeber eine zeitweise Vertretung für ihn suchen muss. Der freiwillige Wehrdienst steht sowohl Männern als auch Frauen offen. Die Frage stellt damit keine mittelbare Benachteiligung eines Geschlechts dar.[4] Allerdings wird es ihm im Fall der Falschbeantwortung der Frage nicht gelingen, im Rahmen der Anfechtung[5] oder außerordentlichen Kündigung des Arbeitsvertrags einen stichhaltigen Beweis dafür zu erbringen, dass der Arbeitnehmer vor Begründung des Arbeitsverhältnisses entschlossen war, sich zum freiwilligen Wehrdienst zu verpflichten.[6]

Die Frage danach, ob der Bewerber bereits einen Wehrdienst geleistet hat, ist dagegen nicht erlaubt.[7] Die Tätigkeiten im Wehrdienst haben in der Regel keine Gemeinsamkeiten und Überschneidungen mit den Tätigkeiten des neuen Arbeitsplatzes und stellen auch keine notwendige Qualifikation dar. Daher wird ein vorheriger Wehrdienst in der Regel keine Relevanz für die Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses haben. Der Arbeitgeber besitzt kein berechtigtes Interesse an dieser Information.

Etwas anderes kann gelten, wenn die Tätigkeit im Wehrdienst konkrete Bezugspunkte zu der potenziellen Beschäftigung aufweist, z. B. bei Tätigkeiten, in denen kampfspezifische Verhaltensweisen von Bedeutung sind, z. B. als Personenschützer.

[4] In der Literatur werden unterschiedliche Ansichten dazu vertreten. Die Gegner des Fragerechts argumentieren teilweise mit der entsprechenden Anwendung der §§ 1, 2 ArbPlSchG auf die Phase des Entstehens des Arbeitsverhältnisses und dem Datenverarbeitungsverbot gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG, wonach personenbezogene Daten (hier die Entscheidung über die Verpflichtung zum freiwilligen Wehrdienst) nur verarbeitet werden dürfen, wenn dies für die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist, was es aber in der Regel nicht sei.
[6] Melms/Felisiak, Moll (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 5. Aufl. 2021, § 9 Rz. 95.
[7] Insoweit kann auf § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG verwiesen werden.

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