Das Streikverbot für Beamte ist auch tatsächlich ein langjährig überwiegend akzeptierter und durchgängig praktizierter Grundsatz des Berufsbeamtentums. Es ist als solcher nach Art. 33 Abs. 5 GG vom Gesetzgeber zu beachten. Das Streikverbot weist eine enge Verbindung auf mit dem beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip, der Treuepflicht, dem Lebenszeitprinzip sowie dem Grundsatz der dem Gesetzgeber vorbehaltenen Regelung des beamtenrechtlichen Rechtsverhältnisses einschließlich der Besoldung. Das Streikverbot für Beamte als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums ist kollidierendes Verfassungsrecht und rechtfertigt die Beschränkung des Art. 9 Abs. 3 GG und die im Grundsatz durch diese Bestimmung auch für Beamten gewährleistete Koalitionsfreiheit. Ein derartiges Rechtsverständnis trägt dem Grundsatz der praktischen Konkordanz Rechnung. Es steht nach der nationalen Rechtsprechung auch mit völkerrechtlichen Bestimmungen in Übereinstimmung, die in der Bundesrepublik Deutschland anwendbar sind und dort über das Gebot völkerrechtsfreundlicher Auslegung nationalen Rechts wirksam werden. Mit dieser umfangreich hergeleiteten Begründung hat das Bundesverfassungsgericht die Angriffe gegen das allein an den Status des Beamten – und nicht an dessen mehr oder weniger für das Gemeinwohl wichtigen Aufgaben – angeknüpfte Streikverbot zurückgewiesen.[1] Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass sich hieran ein – weiterer – Konflikt innerhalb des internationalrechtlichen Mehrebenensystems anschließen wird. Es gibt jedenfalls unverändert Stimmen, die das beamtenrechtliche Streikverbot insgesamt infrage stellen oder zumindest dessen funktionsbezogene Begrenzung fordern. Es ist zu erwarten, dass von dort aus versucht werden wird, den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) für eine Änderung der Rechtslage zu gewinnen. Die Hoffnung, seien andere Tendenzen, was das Verständnis der völkerrechtlichen Regelungen angeht. Diese Erwartung[2] ist allerdings hinsichtlich des EGMR jüngst enttäuscht worden: In einem Verfahren unter Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland hat der Gerichtshof vor dem Hintergrund des Art. 11 der Menschenrechtskonvention (MRK) einerseits und der Art. 33 und 9 Abs. 3 GG andererseits entschieden, Streiks seien nicht das einzige Mittel, mit dem die Gewerkschaften und ihre Mitglieder die beruflichen Interessen schützen könnten. Die Vertragsstaaten könnten grundsätzlich frei entscheiden, welche Maßnahmen sie zur Einhaltung des Art. 11 MRK ergreifen wollten, solange sie damit sicherstellen, dass die Gewerkschaftsfreiheit nicht durch Beschränkungen ihrer Substanz beraubt werde. Mit dieser Begründung hat es der EGMR abgelehnt, das referierte Urteil des BVerfG vom 12.6.2018 zur Rechtmäßigkeit des Streikverbots für Lehrer aus der Sicht der MRK zu beanstanden.[3] Es ist fraglich, ob nach dieser Rechtsprechung noch eine Änderung der nationalen Rechtslage dahin erwartet werden kann, dass zulasten von Beamten nur ein sehr enger, auf die Funktion der Staatsbediensteten und nicht auf deren Status bezogener Raum für Eingriffe in das Streikrecht besteht, also etwa mit Wirkung für Streitkräfte, die Polizei und öffentliche Verwaltung, die Hoheitsgewalt ausübt.[4]

[2] So im Verhältnis zu Art. 6 Nr. 4 ESC etwa EUArbR/Schubert, ESC Art. 6 Rz. 30.
[3] EGMR, Urteil v. 14.12.2023, Beschw.-Nr. 59433/18; BVerfG, Urteil v. 12.6.2018, 2 BvR 1738/12.
[4] So hatte BVerwG, Urteil v. 27.2.2014, 2 C 1/13, Rz. 44 noch die ältere Rspr. des EGMR interpretiert, es aber dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten, eine Rechtsanpassung vorzunehmen.

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