Überzahlte SV-Beiträge: Frist und Voraussetzung der Verrechnung

Regelmäßig kommt es vor, dass Arbeitgeber die Entgeltzahlungen ihrer Arbeitnehmenden rückwirkend korrigieren müssen. Kommt es zu einer Überzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, kann eine Verrechnung die Lösung sein. Dabei ist jedoch einiges zu beachten.

Arbeitgeber können zu Unrecht gezahlte Beiträge mit künftigen Beitragsansprüchen aufrechnen. Dieser in der Sozialversicherung als "Verrechnung" bezeichnete Prozess ist Routine bei der monatlichen Entgeltabrechnung und Beitragszahlung. Er wird in der Regel ohne großen Aufwand über die Entgeltabrechnungsprogramme gesteuert.

Aber aufgepasst: Eine Verrechnung erfordert mehr als das bloße Absetzen überzahlter Beträge mit der nächsten Beitragsnachweisung. Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung geben die Richtung vor. Bei unzulässiger Verrechnung droht unter Umständen die Wiedereinzahlung der Beiträge.

Grundsätze für die Verrechnung und Erstattung

In den "Gemeinsamen Grundsätzen für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge aus einer Beschäftigung" (Erstattungsgrundsätze) beschreiben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung, wie sich Arbeitgeber im Falle einer Beitragsüberzahlung verhalten sollten. 

Zu Unrecht gezahlte SV-Beiträge: Erstattungsantrag oder Verrechnung?

Der Arbeitgeber entscheidet, ob er zu Unrecht gezahlte Beiträge

  • mit der laufenden Beitragszahlung an die Einzugsstelle verrechnet oder
  • gemeinsam mit dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin mit einem Erstattungsantrag schriftlich bei der Einzugsstelle zurückfordert.

Die Verrechnung ist für Arbeitgeber weniger aufwendig, weil sie in der Regel automatisch über die Entgeltabrechnungssoftware erfolgt. Verrechnet werden kann aber nur innerhalb bestimmter Fristen.

Verrechnung mit der laufenden Beitragszahlung an die Einzugsstelle

Wie die tatsächliche Verrechnung überzahlter Beiträge zu erfolgen hat, ist in den Beitragsnachweis-Grundsätzen der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung geregelt. Danach können Beitragskorrekturen aus Vormonaten grundsätzlich durch Absetzung der überzahlten Beträge im laufenden Beitragsmonat erfolgen. Ausgewiesen im Beitragsnachweis(-Datensatz) wird insofern die Differenz zwischen den im aktuellen Monat zu zahlenden und den für abgelaufene Monate überzahlten Beiträgen. Daneben besteht aber auch die Möglichkeit, den ursprünglich übermittelten Beitragsnachweis-Datensatz für abgelaufene Beitragsmonate zu stornieren (das Beitragssoll wird vollständig abgesetzt) und für denselben Zeitraum einen neuen Beitragsnachweis-Datensatz zu übermitteln.

Verrechnung überzahlter Beiträge nicht uneingeschränkt möglich

Überzahlte Beiträge in voller Höhe (Beiträge waren für alle oder nur einzelne Versicherungszweige gar nicht zu zahlen, weil zum Beispiel keine Versicherungspflicht bestand) dürfen nur innerhalb von sechs Monaten und solche in nicht voller Höhe (Beitragsteile wurden überzahlt, weil Teile des Arbeitsentgelts beitragsfrei waren) innerhalb von 24 Monaten verrechnet werden. Die Abwicklung erfolgt über das Beitragsnachweis-Verfahren.

Wichtig: Die Frist beginnt mit dem Kalendermonat, der dem mit falschen Beiträgen belegten Kalendermonat folgt. Je nach Sachlage muss die Verrechnung mit der Beitragsnachweisung also spätestens sechs bzw. 24 Kalendermonate danach erfolgen.

Beispiele:

A) Im Beitragsmonat Juni 2023 wurden Beiträge in voller Höhe irrtümlich gezahlt. 

Ergebnis: Der maßgebende Sechs-Monats-Zeitraum endet am 31. Dezember 2023, sodass spätestens mit der Beitragsnachweisung für Dezember 2023 eine Verrechnung erfolgen muss.

B) Im Beitragsmonat August 2023 wurden Beitragsanteile falsch berechnet. 

Ergebnis: Der maßgebende 24-Monatszeitraum endet am 31. August 2025, sodass spätestens mit der Beitragsnachweisung im August 2025 eine Verrechnung erfolgen muss.

SV-Beiträge verrechnen: Voraussetzungen

Der Arbeitgeber darf überzahlte Beiträge nur verrechnen, wenn

  • er sicherstellt, dass der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die von ihm getragen Beitragsanteile zurückerhält,
  • der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin bei Verrechnung von Beiträgen in voller Höhe schriftlich erklärt, dass ihm/ihr kein Bescheid über eine Forderung eines Leistungsträgers (Krankenkasse, Pflegekasse, Rentenversicherungsträger, Agentur für Arbeit) vorliegt und
  • seit Beginn des Erstattungszeitraums keine Leistungen der Kranken-, Pflege-, Renten- oder Arbeitslosenversicherung gewährt wurden.

Bei der Verrechnung von Beitragsteilen muss sichergestellt sein, dass der überhöhte Betrag nicht bei der Bemessung von Geldleistungen an den/die Arbeitnehmende zugrunde gelegt wurde. Darüber hat der Arbeitgeber in der Regel Kenntnis, weil er Angaben gegenüber der Krankenkasse oder dem Rentenversicherungsträger zur Berechnung von Kranken-, Übergangs- oder Mutterschaftsgeld machen bzw. die Höhe des von ihm beitragspflichtig behandelten Arbeitsentgelts bescheinigen musste.

Achtung: Verrechnung ausgeschlossen bei Betriebsprüfung

Eine Beitragsverrechnung scheidet aus, soweit für den Erstattungszeitraum oder für Teile des Erstattungszeitraums eine Betriebsprüfung durch die Rentenversicherung stattgefunden hat. In diesen Fällen ist zwingend ein Erstattungsantrag zu stellen, sofern der Betriebsprüfer das Guthaben in dem Prüfbescheid nicht ausdrücklich zur Verrechnung freigibt.

Alternative: Erstattungsantrag für zu Unrecht gezahlte Beiträge

Sofern sich eine Verrechnung nicht anbietet, nicht zulässig oder z. B. wegen Zeitablaufs ausgeschlossen ist, werden zu Unrecht gezahlte Beiträge auf Antrag erstattet. Hierfür sollte der offizielle "Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung aus einer Beschäftigung" der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung genutzt werden.

Der Erstattungsantrag ist immer bei der zuständigen Einzugsstelle (Krankenkasse oder Minijob-Zentrale) zu stellen. Dies gilt selbst dann, wenn beispielsweise nur Rentenversicherungsbeiträge zurückgefordert werden. Die Einzugsstelle entscheidet nach den in den Erstattungsgrundsätzen genannten Kriterien, ob sie den Antrag gegebenenfalls zuständigkeitshalber zur weiteren Bearbeitung an den Rentenversicherungs-träger oder die Agentur für Arbeit weiterleiten muss.
 

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