Verunreinigtes Kantinenessen - wer zahlt für Schaden des Betriebs

Verunreinigtes Kantinenessen hat vor kurzem zur Erkrankung mehrerer tausend Kinder geführt. Ist eine Betriebskantine betroffen, kann schnell eine Vielzahl an Arbeitnehmern wegen Magen-Darm-Infektionen ausfallen. Welche Forderungen Arbeitgeber gegen den Kantinenbetreiber geltend machen können, erläutert Rechtsanwalt Jan-Marcus Rossa von Esche & Partner.

Haufe-Online: Kann ein Arbeitgeber, wenn sich wegen verunreinigtem Kantinenessen mehrere Arbeitnehmer krank melden, eine finanzielle Entschädigung von dem Betreiber der Kantine fordern? Und wenn ja, welcher Schaden kann ersetzt werden?

Jan-Marcus Rossa: Besteht zwischen dem Betreiber der Kantine und dem Arbeitgeber ein Vertrag über den Betrieb der Kantine, dann können sich wegen der Ausgabe von verunreinigtem Essen Schadensersatzansprüche wegen der Schlechterfüllung vertraglicher Pflichten gem. § 280 Abs. 1 BGB  ergeben. Der Kantinenbetreiber ist vertraglich (auch) dem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, einwandfreies Essen zuzubereiten und an die Arbeitnehmer auszugeben. Ist das Essen verunreinigt oder sind Lebensmittel verdorben, dann verletzt der Kantinenbetreiber diese vertraglichen Pflichten.

Der Kantinenbetreiber muss die Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Ihn muss also an der Verunreinigung des Essens ein Verschulden treffen, wobei nach dem Gesetz Fahrlässigkeit ausreicht.

Schließlich bedarf es eines konkreten Schadens beim Arbeitgeber, der kausal auf die Pflichtverletzung des Kantinenbetreibers  zurückzuführen ist. Ein solcher Schaden könnte zum Beispiel darin bestehen, dass der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung leisten muss, weil einer oder mehrere Arbeitnehmer durch das verunreinigte Essen arbeitsunfähig erkranken. Diese Personalkosten, denen ja keine Arbeitsleistung gegenüber steht, führen zu einem  Schaden, der durch den Verursacher der Erkrankung zu erstatten ist.

Der krankheitsbedingte Ausfall zahlreicher Arbeitnehmer kann aber auch zu Produktionsausfällen führen, die weitere Schäden nach sich ziehen können, weil zum Beispiel wegen der Überschreitung von Lieferterminen Vertragsstrafen gezahlt werden müssen oder der Arbeitgeber selbst Verzugsschadensersatzansprüchen seiner Kunden ausgesetzt ist. Insoweit stehen dem Arbeitgeber gegen den Kantinenbetreiber Regressansprüche zu. Ferner kann ein Schaden auch dadurch entstehen, dass der Arbeitgeber, um Liefertermine einhalten zu können, Leiharbeitnehmer einsetzt, die teurer sind als sein Stammpersonal. Die Differenz zwischen den (höheren) Kosten durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern und den normalen  Personalkosten, die bei Einsatz der Stammbelegschaft entstehen würden, sind ebenfalls ein ersatzfähiger Schaden. 

 

Haufe-Online: Können auch betroffene Arbeitnehmer eine finanzielle Entschädigung fordern?

Jan-Marcus Rossa: Grundsätzlich macht sich ein Kantinenbetreiber, der verunreinigtes oder verdorbenes Essen ausgibt, auch gegenüber den Arbeitnehmern schadensersatzpflichtig. Diese Schadensersatzpflicht kann sich zum einen aus der Verletzung vertraglicher Pflichten gegenüber dem Arbeitnehmer und zum anderen aus der Körperverletzung ergeben, die mit der Ausgabe verdorbenen Essens verbunden ist und eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellt. Die vertraglichen Schadensersatzansprüche ergeben sich insbesondere daraus, dass mit dem Erwerb des Kantinenessens auch ein Vertrag zwischen dem Arbeitnehmer und dem Kantinenbetreiber über das Kantinenessen zustande kommt. Mit der Ausgabe verdorbenen Essens entsteht ein Schadensersatzanspruch zumindest dem Grunde nach. Allerdings muss der Arbeitnehmer auch einen konkreten Schaden erlitten haben und nachweisen. Bei einer nur kurzen Erkrankung erleidet der Arbeitnehmer aufgrund der Entgeltfortzahlung  im Regelfall keinen Schaden. Bei längeren Erkrankungen, die durch das verdorbene Essen verursacht worden sein muss, kann es allerdings zu Einkommenseinbußen kommen, die vom Kantinenbetreiber entschädigt werden müssen.

Da die Abgabe von verunreinigtem Essen eine Körperverletzung darstellt, stehen den betroffenen Arbeitnehmern grundsätzlich auch Schmerzensgeldansprüche zu. Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von der Schwere der Verletzung und der damit verbundenen Leiden ab. 

 

Haufe-Online: Unter welchen Voraussetzungen wäre das möglich?

Jan-Marcus Rossa: Voraussetzung für jeden Schadensersatzanspruch ist der Nachweis, dass durch das pflichtwidrige Verhalten des Betreibers kausal eine Schädigung verursacht wurde. Bei körperlichen Beeinträchtigungen durch Unfälle wird der Nachweis einer kausalen Schädigung naturgemäß einfacher sein, als bei verunreinigtem Essen. Ist nur ein einziger Arbeitnehmer erkrankt, wird der Nachweis schwierig sein, dass die Erkrankung gerade auf das Kantinenessen zurückzuführen ist. Erkrankt jedoch eine Vielzahl von Arbeitnehmern im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Ausgabe des verunreinigten Kantinenessens, wird der Nachweis unter Umständen leichter. Häufig schaltet sich in solchen Fällen auch das Gesundheitsamt ein und mit diesen Ermittlungsergebnisse kann u.U. auch der Nachweis geführt werden, dass die Erkrankung auf das verdorbene Kantinenessen zurückzuführen ist.

 

Haufe-Online: Muss man zwischen einem externen Kantinenbetreiber und einer betriebseigenen Kantine unterscheiden?

Jan-Marcus Rossa: Zivilrechtlich besteht grundsätzlich kein Unterschied, ob der Arbeitgeber selbst oder ein Dritter die Kantine betreibt. Allerdings könnte zugunsten des Arbeitgebers ein Haftungsprivileg gem. § 104 SGB VII bestehen, wenn es sich beim Verzehr verdorbenen Kantinenessens um einen Arbeitsunfall handeln würde und der Arbeitgeber die Schädigung nicht vorsätzlich herbeigeführt hat. In diesen Fall haftet die gesetzliche Unfallversicherung. Der Verzehr von verdorbenem Kantinenessen ist jedoch kein Arbeitsunfall, auch wenn das Essen in der Kantine in einem Zusammenhang zu der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers steht, insbesondere wenn der Arbeitgeber das Essen bezuschusst. Eine Haftung der gesetzlichen Unfallversicherung scheidet damit aus und es bleibt bei der Haftung des Arbeitgebers.


Das Interview führte: Renate Fischer, Ass. jur. (Haufe-Lexware)
Interviewpartner: Jan-Marcus Rossa, Rechtsanwalt und Partner Esche Schümann Commichau Partnerschaftsgesellschaft

Schlagworte zum Thema:  Schadensersatz, Entgeltfortzahlung, Leiharbeit