Bagatellkündigung

Immer wieder haben Gerichte über sogenannte Bagatellkündigungen zu entscheiden. Auch wenn der Schaden für den Arbeitgeber wirtschaftlich nur gering ist, kann ein Diebstahl von Kleinigkeiten die fristlose Kündigung rechtfertigen. Im Einzelfall muss aber eine Abwägung erfolgen.

Nur ein kleines bisschen: Mal ist es ein leckeres Brötchen mit Krabbensalat oder wie kürzlich ein kleines Fleischstückchen im Wert von 80 Cent, welches ein Arbeitnehmer unerlaubt verzehrte und deshalb die Kündigung kassierte. Immer wieder beschäftigen sich Gerichte mit Kündigungen, die wegen sogenannter Bagatellvergehen ausgesprochen wurden.

Fristlose Kündigung nicht zwingend

Grundsätzlich muss ein Arbeitgeber natürlich einen Diebstahl oder eine Unterschlagung geringwertiger Sachen aus seinem Eigentum nicht hinnehmen. Nicht immer rechtfertigt ein solches Vergehen des Arbeitnehmers zwingend seine sofortige Kündigung. In bestimmten Fällen sieht das Gericht nämlich eine fristlose Kündigung als unverhältnismäßig an. Dies gilt besonders in Fällen, wo die Pflichtverletzung gering ist, und der Arbeitnehmer schon lange Jahre im Betrieb beschäftigt ist, ohne sich in dieser Zeit etwas zuschulden kommen zu lassen.

BAG: Emmely-Entscheidung betont Interessensabwägung

In seinem bekannten Urteil, der sogenannten Emmely-Entscheidung, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) deutlich gemacht, dass bei einem Diebstahl geringwertiger Sachen zu Lasten des Arbeitgebers immer auch eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen ist.  „Emmely“ hatte in dem Fall Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen. Die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung erklärte das Gericht in seiner Entscheidung wegen des ansonsten langen einwandfreien Arbeitsverhältnisses für unwirksam (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.6.2010, Az. 2 AZR 541/09).

Abmahnung oftmals der erste Schritt 

An diesem Urteil orientieren sich weitere Entscheidungen. In einem Fall, den das Arbeitsgericht Hamburg zu beurteilen hatte, ging es um die Kündigung einer Krankenschwester, die 8 Brötchenhälften entwendet hatte. 23 Jahre war die Krankenschwester bis dato bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt. Hier entschied das Gericht: Die Kündigung war unverhältnismäßig. Die Krankenschwester hätte zuvor abgemahnt werden müssen (ArbG Hamburg, Urteil vom 10.7.2015, Az. 27 Ca 87/15). Ebenso verhielt es sich im Fall des Brötchens mit Krabbensalat. Auch hier entschied das Gericht, dass vorher eine Abmahnung der Arbeitnehmerin hätte erfolgen müssen. (LAG Hamburg, 30.7.2014, Az. 5 Sa 22/14)

Umdeutung in ordentliche Kündigung

Dass auch der Diebstahl eines Fleischstückchens im Wert von 80 Cent zumindest eine ordentliche Kündigung rechtfertigen kann, stellte das Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein kürzlich fest. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Arbeitnehmer, ein Abteilungsleiter, das Fleischstückchen verbotenerweise gegessen hatte und nicht, wie er behauptete, als Probe nehmen musste und gab dem Arbeitgeber mit seiner Kündigung recht. Trotz des langjährigen Arbeitsverhältnisses sei angesichts der Vorgesetztenstellung zumindest eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt, urteilte das Gericht, unabhängig davon, dass eine spät aufgedeckte sexuelle Belästigung sogar die fristlose Kündigung rechtfertigte (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.11.2015, 2 Sa 235/15).

Erstellen eines falschen Pfandbons in Höhe von 3,25 Euro rechtfertigt Kündigung

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch eine kürzlich erfolgte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf. Das Gericht änderte auf die Berufung eines Lebensmittelmarktes das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg (ArbG Duisburg, 1 Ca 272/14) ab und wies die Kündigungsschutzklage einer Kassiererin ab. Es sah als erwiesen an, dass die Arbeitnehmerin eine leere Pfandflasche über die Kasse gezogen und so einen Leergutbon in Höhe von 3,25 Euro produziert hatte. Es begründete seine Entscheidung damit, dass das Erstellen eines falschen Pfandbons, um sich das Pfandgeld rechtswidrig zuzueignen, einen so großen Vertrauensbruch hervorrufe, der auch bei einem geringfügigen Schaden gravierend sei, jedenfalls wenn der betreffende Arbeitnehmer gerade damit betraut sei, die Vermögensinteressen des Arbeitgebers zu wahren, wie dies eben bei einer Kassiererin der Fall ist. In diesem Fall wurde die Revision zugelassen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 7.12.2015, Az. 7 Sa 1078/14).


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