LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.3.2019, 17 Sa 52/18
Eine fristlose Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn eine Arbeitnehmerin eine unzutreffende Behauptung per WhatsApp an andere Kollegen verbreitet, wodurch der Ruf eines Kollegen erheblich beeinträchtigt werden kann.
Sachverhalt
Die Klägerin des vorliegenden Falls, erst seit Kurzem – noch keine 3 Tage – bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte beschäftigt, besuchte in ihrer Freizeit eine Bar. Hierbei entwickelte sich mit einem Bekannten sowie weiteren flüchtigen Bekannten der Klägerin ein Gespräch. Einer der Gesprächspartner behauptete hierbei, dass ein Mitarbeiter der Beklagten, der gleichzeitig der Vater des Geschäftsführers sei, angeblich ein verurteilter Vergewaltiger sein soll. Dass diese Aussage nicht der Wahrheit entsprach, erfuhr die Klägerin erst später im Zusammenhang mit ihrer Kündigung. Am selben Tag der Unterhaltung schrieb die Klägerin einer Arbeitskollegin eine "WhatsApp"-Nachricht, worin sie dieser dieses Gerücht mitteilte. Die Kollegin informierte hierüber den Geschäftsführer der Beklagten, worauf es zur fristlosen Kündigung der Klägerin kam. Diese erhob Kündigungsschutzklage.
Die Entscheidung
Die Klage hatte vor dem LAG keinen Erfolg, die fristlose Kündigung war gem. § 626 Abs. 1 BGB wirksam.
Das Gericht entschied, dass eine grobe Beleidigung des Arbeitgebers oder eines Arbeitskollegen einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstelle, wenn diese nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeute. Dies liege insbesondere dann vor, wenn hierdurch der Tatbestand der üblen Nachrede gem. § 186 StGB erfüllt werde. Nach Auffassung des Gerichts komme es hierbei auch nicht auf die strafrechtliche Wertung an, sondern entscheidend sei, ob dem Arbeitgeber deswegen nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten sei. Des Weiteren, so das LAG, setze der Straftatbestand der üblen Nachrede gem. § 186 StGB nicht voraus, dass der Täter über die Unwahrheit der Tatsache, die er behauptet, weiß. Zudem sei es auch nicht notwendig, wenn bei der Verbreitung von Schriften die Tatsachenmitteilung an einen größeren Personenkreis gelange. Eine gegenüber einem Dritten abgegebene Tatsachenäußerung habe im Vergleich zum unsubstanziierten Werturteil mehr Gewicht. Insbesondere stelle im vorliegenden Fall die Behauptung der Klägerin, ihr Kollege sei ein verurteilter Vergewaltiger, eine ehrenrührige Behauptung dar, die dazu geeignet war, den Betroffenen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.
Eine Rechtfertigung der üblen Nachrede kam vorliegend nicht in Betracht, insbesondere konnte sich die Klägerin nicht auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung berufen. Zwar dürften Arbeitnehmer, so das LAG –, auch unternehmensöffentlich – Kritik am Arbeitgeber üben und sich dabei auch überspitzt äußern, jedoch müsste hierbei jeweils der strafrechtlich gewährleistete Ehrenschutz beachtet werden. Ebenfalls konnte sich die Klägerin hier nicht auf § 193 BGB – auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen – stützen.
Die vorzunehmende Interessenabwägung ergab zudem – insbesondere in Anbetracht der sehr kurzen Beschäftigungszeit und der Auswirkungen des Handelns –, dass das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Klägerin an der Einhaltung der 14-tägigen Kündigungsfrist in der Probezeit überwogen.