LAG Thüringen, Urteil vom 3.5.2022, 1 Sa 18/21
Ein Arbeitszeitbetrug stellt eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung dar und kann einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs 1 BGB für eine fristlose Kündigung darstellen; denn hierbei täuscht ein Mitarbeiter vor, für einen näher genannten Zeitraum seine Arbeitsleistung erbracht zu haben, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall war. Dies kann ebenfalls bei einer hartnäckigen Missachtung der Anweisung, bei Raucherpausen auszustempeln, vorliegen.
Sachverhalt
Die Klägerin war seit 1990 als Mitarbeiterin in einem Arbeitsamt tätig. Die Überprüfung der Arbeitszeiterfassung hat ergeben, dass sie an 3 Tagen keine einzige Pause genommen hatte, sondern nur Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit gebucht hatte. Deshalb wurde sie durch die Beklagte aufgefordert, hierzu Stellung zu nehmen, da der Eindruck der Arbeitszeitmanipulation entstanden sei.
Die Klägerin brachte hierbei vor, dass die genannten Zeiten richtig sein könnten, da sie als Raucherin entsprechende Zigarettenpausen benötige. Sie betonte, dass es ihr sehr leid tue, dass bei ihr "ein solcher nachlässiger „Schludrian" eingerissen sei; sie habe die Mitteilung deshalb sehr ernst genommen und seither jede einzelne Raucherpause ganz genau und minutiös aufgezeichnet. Zudem betonte sie, dass ein derartiges Verhalten sich mit Sicherheit nicht mehr wiederholen werde.
Die Beklagte sprach daraufhin die fristlose Kündigung, hilfsweise die fristgerechte Kündigung aus. Hiergegen erhob die Klägerin Klage.
Die Entscheidung
Die Klage hatte hinsichtlich der fristlosen Kündigung Erfolg, gegenüber der ordentlichen Kündigung wurde sie jedoch abgewiesen. Es wurde Revision zum BAG zugelassen.
Nach Auffassung des Gerichts war die ordentliche Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt; denn ein Arbeitszeitbetrug, bei dem ein Mitarbeiter vortäuscht, für einen näher genannten Zeitraum seine Arbeitsleistung erbracht zu haben, obwohl dies tatsächlich nicht oder nicht in vollem Umfang der Fall war, stelle eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung dar und erfülle an sich den Tatbestand des wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs 1 BGB. Dies gelte auch für den Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren. Deshalb könne auch die hartnäckige Missachtung der Anweisung, bei Raucherpausen auszustempeln, eine außerordentliche Kündigung begründen. Auch bedürfe es bei bewusst falschen Angaben hinsichtlich der Arbeitszeit oder bei mehrfachen nicht unerheblichen Falschaufzeichnungen grds. auch einer vorherigen Abmahnung. Die Klägerin hatte vorliegend zudem nicht vorgetragen, dass ihre Nikotinsucht sie daran gehindert hätte, ordnungsgemäß ihre Arbeitszeit zu erfassen.
Die vorliegende ordentliche Kündigung hielt wegen der Schwere der Pflichtverletzung auch unter Berücksichtigung der langjährige Beschäftigungszeit der Klägerin der Interessenabwägung stand; denn ihr zulasten gehe, dass ihre Pflichtverletzung unter dem Gesichtspunkt des Arbeitszeitbetrugs strafrechtliche Relevanz habe. Auch nach langjähriger Beschäftigungsdauer könne nach Ansicht des LAG einem verständigen Arbeitgeber nicht zugemutet werden, durch das vorsätzliche Nichterfassen von Pausenzeiten betrogen zu werden.