Was Arbeitgeber wirklich attraktiv macht

Sie suchen etwas Neues? Wollen sich vielleicht sogar länger binden? Sind es da die Bilder meist sehr attraktiver Menschen, die Sie anziehen? Das Geld? Oder muss die Chemie stimmen? Vermutlich denken Sie bei diesen Fragen nicht zwingend ans Recruiting, sondern an die Partnersuche. So falsch ist das gar nicht, denn die Mechanismen sind ähnlich und geben Arbeitgebern wichtige Hinweise, worauf es ankommt, um im Fachkräftemangel zu bestehen.

Blind Date

Das Werbebanner, die Stellenanzeige, die Karriere-Homepage. Drei der üblichen ersten Kontaktpunkte mit dem potentiell neuen Arbeitgeber. Okay, noch nicht überall im öffentlichen Dienst „üblich“, weil es mindestens einen der drei dort gar nicht gibt. Aber nehmen wir mal an, es wäre so. Dann ist es tatsächlich wie ein Blind Date: Der Interessent wirft einen ersten Blick auf die Organisation.

Es gibt nur einen ersten Eindruck. Was für Partnersuche und Bewerbungsgespräch gilt, ist auch bereits vor der Bewerbung richtig. Welchen Eindruck vermittelt da Ihre Stellenanzeige? Eher den der Behörde, die New Work lebt oder eher den der Rechtsabteilung, dritte Hierarchiestufe, Abteilung 0815?

Mit wem rede ich da eigentlich?

Man stellt sich vor. Bei vielen Behörden noch mit allen Lebensabschnitten bis zum Grundschulzeugnis in der Bewerbung. Aber was weiß der Bewerber vom Arbeitgeber außer den bunten Bildern der Arbeitgebermarke? Bestenfalls den Namen des Sachbearbeiters Personalgewinnung. Manchmal nicht mal den dank Orga-E-Mail-Adresse.

Ein Bild dazu gibt es jedenfalls selten. Direkter Kontakt zur zukünftigen Führungskraft? Vielleicht telefonisch, wenn man viel Glück hat. Kennenlernen des Teams, mit dem man täglich 8 Stunden verbringen soll? Ausgeschlossen. Blind Date par excellence und extrem unfair.

Die Besten sind nicht zwingend die attraktivsten

Man ist ja höflich und kommt trotzdem ins Gespräch. Und dann geht es los: Bester! Erster! Größter! Einfach super! Und nicht eines, nein 4, 5, sogar 10 Arbeitgebersiegel hat man! Arbeitgeber starten in den Erstkontakt erst einmal mit endlosen Monologen (meist in Textform auf der Homepage, neuerdings auch in leider wirklich langweiligen Videos) und erzählen, wie toll sie doch sind. Wie finden Sie so ein erstes Date?

Verständlich, dass der Funke da nicht überzuspringen will. Dann muss es das Finanzielle richten: Wir zahlen eine Entgeltgruppe mehr! Und Fahrtkostenzuschuss! Ja, für viele Bereiche des öffentlichen Dienstes ist die auch nur gering bessere wirtschaftliche Ausgangslage ein Entscheidungskriterium. Leider. Bis wieder einer besser zahlt. Sich Bindung und eine langfristige Beziehung zu erkaufen, hat noch nie funktioniert. Weder im Privaten, noch im Job.

Immer schön ehrlich bleiben!

Was lernen wir aus diesem kleinen Vergleich? Zum Beispiel, dass Attraktivität nicht objektiv ist. Auch die hierarchische Behörde mit Abteilung 0815 ist für viele Menschen ein attraktiver Arbeitgeber. Sich dagegen aber selbst zu belügen und eine Organisation vorzutäuschen, die man nicht ist, führt dagegen nur zu Frustration und schneller Trennung.

Darum ist es wichtig, die Ecken und Kanten der Unternehmenskultur oder die eher wenig attraktiven Rahmenbedingungen als Arbeitgeber anzusprechen. Ein Umstand, den bislang die wenigstens Arbeitgebermarken widerspiegeln. Ein blinder Fleck als böse Überraschung am ersten Arbeitstag.

Arbeitgebermarke: authentisch und doch nur Mittel zum Zweck

In Zeiten des Fachkräftemangels selektiert der Kandidat aus dem großen Angebot von Arbeitgebern den passenden heraus. Diese Selektion ist die Hauptfunktion der Arbeitgebermarke und dafür muss sie authentische Einblicke ermöglichen. Die Marke ist kein Ergebnis, sie ist Mittel zum Zweck. Ihr Auftrag ist es, das Blind Date aufzulösen und echte Einblicke und vor allem Kontakte zu ermöglichen!

Da ist es ungünstig, die Arbeitgebermarke im Elfenbeinturm der Personalabteilung zu entwickeln. Wenn am Tag x den Mitarbeitenden die fertige Marke erstmals präsentiert wird, ist schon was schief gelaufen. Die Kollegen müssen die eigene Marke stattdessen von Anfang an mitentwickeln und gleichzeitig ihr Gesicht sein. Als Markenbotschafter. Nicht nur die hübschen und attraktiven, sondern alle Beschäftigten. Und, auch wenn es ein schwieriges Thema ist: Ich kenne Behörden, die werben mit Bildern von Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund und haben diese gar nicht im Team. Authentisch ist anders.

Es menschelt. Und das ist gut so!

Interessante Aufgaben und Sinn in der Arbeit sind bei allen Studien in den obersten Rängen bei der Frage nach einem attraktiven Arbeitgeber. Gut für den öffentlichen Dienst. Was aber motiviert Menschen, auch bei schwierigsten Rahmenbedingungen durchzuhalten? Das Team. Die Aufgabe, für die man gemeinsam Verantwortung trägt. Die Kollegen, die man nicht im Stich lassen will. Die Menschen, mit denen man trotz Stress und Überlastung lachen kann.

Für eine langfristige Arbeitsbeziehung muss es daher zwischenmenschlich passen: Mit der Führungskraft und zwischen den Kollegen. Im Umgang mit anderen Abteilungen und in Bezug auf eine interne Kommunikation mit gegenseitigem Verständnis und Humor.

Viel wichtiger als vermeintliche Attraktivitätsfaktoren und Siegel ist daher die Möglichkeit, sich selbst ein Bild zu machen. Im Gespräch mit den Kollegen, beim Kaffee mit der Führungskraft, im Cultural Fit Test, bei der Einladung zur Firmenfeier oder beim Lesen der veröffentlichten Ergebnisse der aktuellen Mitarbeiterbefragung. Wenn Sie von der Attraktivität Ihrer Organisation überzeugt sind, dann ist es auch kein Problem, wenn das komplette Team für Fragen per Social Media Profil zur Verfügung steht. Wovor haben Sie Angst?

Schlagworte zum Thema:  Recruiting, Einstellung, Bewerbermanagement