Digitalisierte Technische Gebäudeausrüstung

Vernetzt, energieautark, anpassungsfähig und intelligent soll das Gebäude der Zukunft sein. Die voranschreitende Digitalisierung in Planung, technischer Ausrüstung und im Betrieb realisiert diese Vision zunehmend. So hebt das Real Estate Management die neuen Potenziale.

Die Digitalisierung bringt umfassende Veränderungen in allen Bereichen.  Auch in der Immobilienwirtschaft schafft sie neue Geschäftsfelder. Im Real Estate Management (REM) etwa wird es deshalb neue Wettbewerbskonstellationen geben. Diese Veränderungen betreffen alle Assetklassen und alle Funktionen – vom strategischen Portfoliomanagement bis hin zum operativen Property und Facility Management. Konkret bedeutet dieser tiefgreifende Wandel: Vor allem branchenfremde Unternehmen werden neue Produkte und Dienstleistungen auf Basis webbasierter Technologien rund um die Immobilie anbieten.

Daten machen neue Services rund um Gebäude möglich – und frische Player groß

Dieser Entwicklung können sich weder institutionelle Bestandshalter noch das Corporate Real Estate Management auf Dauer entziehen. Insbesondere Start-ups, die sich auf die Sammlung und Analyse von Daten spezialisiert haben, machen ihren Kunden Informationen auf Basis intelligenter Algorithmen sehr schnell und zu vergleichsweise geringen Kosten verfügbar. Online-Marktplätze für die Vermietung, digitale Plattformen für die Bewirtschaftung oder die vorausschauende Wartung der Infrastruktur lassen grüßen. Diese neuen Player am Markt gewinnen gegenüber genuinen Immobilienexperten mehr und mehr an Vorsprung. Zudem erwarten Investoren und Nutzer zunehmend auch von den etablierten Akteuren der Immobilienwirtschaft datenbezogene Services. Denn sie wollen die Kennwerte aus ihren Gebäuden für eine bessere eigene Wettbewerbsposition nutzen. Zudem steigert dies ihre Attraktivität als potenzielle Arbeitgeber.

Digitalisierte technische Gebäudeansicht


Doch auch darüber hinaus bieten immobilienwirtschaftliche Prozesse und Dienstleistungen eine enorme Vielzahl an Ansatzpunkten für die Digitalisierung über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass diese Ansatzpunkte sowohl einen qualifizierten Nutzen für den Kunden bieten als auch eine angemessene Monetarisierung der Daten für den Bestandshalter erwarten lassen. Konkret geht es etwa um: Planen und Bauen, Betrieb, Energiebewirtschaftung, Outsourcing von Dienstleistungen, Kundenzufriedenheit und Serviceerlebnis, Flächenpräferenzen, Portfoliobewertung und Bestandsprüfung oder die Beschleunigung von Due Diligence und Transaktionen.

Durch die Digitalisierung können Systeme und Prozesse wertvolle Daten liefern. Dieses stetig wachsende Daten­­volumen ist Herausforderung und Chance zugleich: Intelligent erfasst, können entsprechende Kennwerte in großem Umfang analysiert und genutzt werden, um die Leistungsfähigkeit von Gebäuden und damit betriebliche Produktivität im REM zu verbessern. Intelligente Auswertungen können mit Hilfe von Analysetools nun massive, aber unstrukturierte Datenmengen zu transparenten Informationen zusammenführen. Algorithmen sind zudem in der Lage, Trends auszuwerten und Muster im Nutzerverhalten oder im Konsum zu erkennen. Prozessabläufe werden verfeinert. Wartungsintervalle lassen sich durch entsprechende Prognose präziser und effizienter bestimmen. Angebot und Nachfrage bei Vermietung und Verkauf werden besser aufeinander abgestimmt. Dies schafft die Basis für fundierte Entscheidungen, vorausschauende Strategien, kontinuierliche Optimierung und damit letztlich für Wettbewerbsvorteile. Effektivität und Effizienz des Unternehmens werden generell gesteigert.

BIM erkennt Unstimmig­keiten am Bau vorab schon digital

Die Integration unterschiedlicher Anwendungen in übergreifende digitale Lösungen ermöglicht zudem das Zusammenspiel aller Gebäudesysteme und bietet mehr Funktionalität. Dadurch werden neue, digital basierte Dienste möglich. Dazu zählt eine korrektive, präventive, zustandsbasierte und vorausschauende Wartung. Aber auch Fehlererkennung oder „Software as a Service“ werden in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle spielen. Solche Services tragen dazu bei, Investitionsausgaben (CAPEX) zu reduzieren und Betriebskosten (OPEX) zu dämpfen. Dieser Umstand wirkt sich nicht nur vorteilhaft auf die Bilanz aus. OPEX lassen sich gegebenenfalls auch transparent auf Mieter und andere Projektbeteiligte umlegen. Digitale Technologien sind inzwischen für alle Bereiche der immobilienwirtschaftlichen Wertschöpfung verfügbar. So revolutioniert das Building Information Modeling (BIM) die Planung und Errichtung von Gebäuden durch die softwaregestützte Simulation eines „Digital Twin“, eines digitalen Gebäudezwillings.

Die Vorteile gehen weit über eine allgemein höhere Planungsqualität hinaus: Mögliche Kollisionen der Gewerke und Unstimmigkeiten lassen sich einfach in der Software ändern und müssen nicht mühevoll auf der Baustelle oder gar im laufenden Betrieb behoben werden. Die Einhaltung von Zeit- und Kostenrahmen ist damit zuverlässig gewährleistet. Darüber hinaus lassen sich die virtuellen Daten für die Immobiliendokumentation sowie für den späteren Betrieb bis hin zu Umbau, Renovierung und Rückbau nutzen.

Augmented Reality beim Gebäudezwilling


Eine Fülle realer Daten, die bisher meist ungenutzt bleiben, liefern intelligente Sensoren und Aktoren, etwa aus den gebäude- und sicherheitstechnischen Anlagen sowie aus Gebäudemanagementsystemen. So lassen sich zum Beispiel Energieflüsse transparent überwachen und optimieren. Auch ist die Verfügbarkeit aller Anlagen gewährleistet, was eine hohe Sicherheit für Nutzer und Assets schafft und aufrechterhält. Darüber hinaus lassen sich die erfassten Werte etwa für Betriebs­genehmigungen oder die Einhaltung von Compliance-Richtlinien verwenden.

Andere Technologien – wie IoT (Internet of Things), Analytics und ERP, die auch in anderen Branchen erfolgreich genutzt werden – unterstützen das Portfoliomanagement, etwa durch maschinelle Datenanalyse, transparente Entscheidungsgrundlagen, Ertragsoptimierung, Reporting-Sicherheit, Informationstransparenz gegenüber Mietern oder Investoren, aktuelle Information zu Auslastung und Leerstand, Workplace-Management und Mieterbindung. Ähnliche Vorteile, insbesondere im Hinblick auf Preistransparenz, bietet ein virtueller Datenraum (Virtual Data Room, VDR) bei Bewertung, Vermietung oder Transaktion.

Betreiber und Eigner müssen zunehmend auf neue, individualisierte Nutzerbedürfnisse eingehen

Doch nicht nur der technologische Rahmen, auch die Rolle von Gebäuden selbst hat sich geändert: Gebäude werden künftig mehr sein als nur Nutz- oder Wohn­immobilie. Vielmehr steht der Nutzer immer stärker im Mittelpunkt und gibt den Takt vor. Denn Arbeit und Leben werden noch weiter verschmelzen. Für Betreiber und Eigner von Real Estate bedeutet das, dass sie zunehmend mit neuen, individualisierten Nutzerbedürfnissen konfrontiert werden. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die starke Abhängigkeit der Mitarbeiterperformance von der Arbeitsplatzumgebung. Er bedeutet: Ein gutes Raumklima und ein hoher Wohlfühlfaktor entscheiden mit über die Produktivität. Eine flexible Nutzung der Räume und neue Mietmodelle erfordern zudem eine neue Art der Bewirtschaftung. Gleichzeitig werden Akteure aus vor- und nachgelagerten Branchen – wie Handwerk, Facility Management, Finanzwirtschaft, Sicherheitswirtschaft – in die digitale Wertschöpfung eingebunden.

Die Branche wird neue­ Geschäftsmodelle definieren

Bisher vorhandene Grenzen werden damit durchlässig und transparent. Neue Kooperations- und Geschäftsmodelle in Verwaltung, Bewirtschaftung, Kundenservices und Vermarktung entstehen. Wer sich diesem Trend nicht öffnet, wird im Wettbewerb der Immobilienbranche ins Hintertreffen geraten. Wer als Player im REM die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen und weiter erfolgreich sein will, muss Daten aus heterogenen Quellen rund um die Immobilie transparent machen, Werterhaltung und -steigerung generieren und letztlich Wettbewerbsvorteile schaffen. Daten werden damit zur strategischen Ressource.

Prozess- und Effizienzgewinne sind erst der Anfang

Die Grundlage für neue Geschäftsmodelle und nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit ist Informationstransparenz. Basierend auf dieser Transparenz erhalten Akteure auf allen Stufen des Immobilienmanagements aussagefähige Leistungsindikatoren sowie gesicherte Entscheidungsgrundlagen. So können Maßnahmen zur Optimierung der immobilienwirtschaftlichen Prozesse sowie der Gebäudeperformance angestoßen und nachvollziehbar dokumentiert werden. Kostenreduktionen und verkürzte Amortisationszeiten sind die Folge.

Um diese Potenziale ausschöpfen zu können, führt allerdings kein Weg an der Verankerung einer Digitalisierungsstrategie im Management vorbei. Denn eines ist klar: Digitalisierung gehört weder zum Kerngeschäft eines Immobilienunternehmens noch ist sie ein Selbstläufer. Zudem fehlt in der Mehrzahl der Real-Estate-Unternehmen noch das Bestreben, die existierende Geschäftswelt in Datenmodellen abbilden zu wollen oder aber auch zu können. Deshalb ist es elementar, klar zu definieren, wie das bestehende Wissen und die wichtigsten Wertschöpfungselemente in die digitale Welt transferiert werden sollen.

Grundlegend ist auf jeden Fall die Verankerung einer Digitalisierungsstrategie auf der obersten Führungsebene und die Befähigung der Mitarbeiter, die neuen Konzepte und Werkzeuge in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Fakt ist auch: Wer die Digitalisierung vorantreiben will, muss Geld in die Hand nehmen. Wie viel, das hängt vom digitalen Reifegrad des Unternehmens ab und den gesetzten Zielen. Gebäude liefern permanent Daten wie Werte, Fehlermeldungen und Alarme. Wir können diese Daten in Wissen umwandeln und die Gebäudeperformance verbessern, wodurch Gebäude von einem Betriebs­­­kostenfaktor zu einem dynamischen Vermögenswert werden. Gleichzeitig stellt die Digitalisierung große Anforderungen an die Innovationskraft eines Unternehmens, wobei die Wertschöpfungsdimensionen, die sich durch digitale Ansätze erreichen lassen, noch nicht in vollem Umfang abzusehen sind. Auch herkömmliches strategisches Denken wird kaum die Maxime sein, da Trendbrüche und viele neue Entwicklungen in politischen, sozialen, technologischen und wirtschaftlichen Fragen immer schwieriger einzuschätzen sind.

Fest steht, dass Prozess- und Effizienzgewinne nur der Anfang sind. Akteure der Immobilienwirtschaft müssen eine neue Rolle finden und ihre Geschäftsmodelle adaptieren oder neue definieren. Auch Jobprofile und Arbeitsplätze werden sich innerhalb der Branche stark verändern. Sicher ist aber auch: Wer als Pionier vorangeht, kann sich durch Digitalisierung einen attraktiven Vorsprung im REM-Markt sichern.

Der Beitrag ist im Magazin Immobilienwirtschaft, Ausgabe 03/2020 erschienen.  

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