Leitsatz (amtlich)

Es stellt keinen Verstoß gegen § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG dar, wenn ein Energieversorgungsunternehmen im Rahmen der Grund- und Ersatzversorgung unterschiedliche Tarife anbietet, bei denen nach dem Zeitpunkt des Bezugsbeginns differenziert wird.

 

Normenkette

EnWG § 36 Abs. 1 S. 1, § 38; UKlaG § 2 Abs. 1 S. 1; UWG § 3a

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 31 O 14/22)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 08.02.2022 (Az. 31 O 14/22) in Gestalt der Nichtabhilfeentscheidung vom 18.02.2022 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens über die Frage, ob die Antragsgegnerin es zu unterlassen hat, Kunden, die Energie über die Grund- oder Ersatzversorgung beziehen, unterschiedliche Preise anzubieten, wenn die Kunden vor oder nach einem bestimmten Stichtag mit dem Bezug begonnen haben.

Die Antragstellerin ist die Verbraucherzentrale O. e.V. und widmet sich nach ihrer Satzung der Durchsetzung von Verbraucherinteressen. Sie ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.

Die Antragsgegnerin ist ein Energieversorgungsunternehmen und Grund- und Ersatzversorger im Sinne des EnWG im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Strom und Gas unter anderem in L..

Die Antragsgegnerin unterscheidet in der Preisgestaltung bei der Grund- und Ersatzversorgung zwischen Kunden, die bereits längere Zeit ihre Energie über den Grund- oder Ersatzversorgungstarif beziehen und Neukunden. Kunden, deren Vertrag vor dem 16.12.2021 begonnen hat (im Folgenden: Altkunden), zahlen ein geringeres Entgelt, als Kunden, deren Vertrag am 16.12.2021 oder später (im Folgenden: Neukunden) begonnen hat. Die Tarife der Grund- und Ersatzversorgung sind im Übrigen identisch.

Während der Tarif für einen Altkunden bei der Belieferung mit Strom beispielsweise in den Gemeinden S. und X. vorsieht, dass diese 30,76 ct pro Kilowattstunde brutto und einen Grundpreis von 109,39 EUR pro Zähler und Jahr brutto entrichten müssen, sieht der Tarif für Neukunden in diesem Gebiet einen Arbeitspreis von 72,80 ct pro Kilowattstunde und einen Grundpreis von 145,89 EUR vor. Ähnliche Preisunterschiede enthalten die Tarife für andere Versorgungsgebiete und auch im Bereich der Versorgung mit Gas. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage 1 zum Verfügungsantrag Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin erfolglos abgemahnt.

Die Antragstellerin hat behauptet, sie habe erstmals am 30.12.2021 von der unterschiedlichen Preisgestaltung bei Alt- und Neukunden Kenntnis erlangt. Sie ist der Ansicht gewesen, die Preisgestaltung mit einer Unterscheidung zwischen Alt- und Neukunden sei rechtswidrig. § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG sei eine verbraucherschützende Norm im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG. Die Preisunterschiede für Alt- und Neukunden stellten einen Verstoß gegen § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG dar, weil eine solche Aufspaltung unzulässig sei. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut, dem Regelungszweck und der richtlinienkonformen Auslegung der Norm.

Der Verfügungsanspruch ergebe sich auch aus §§ 3a, 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 S. 1 UWG.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft zu vollstrecken an den Mitgliedern des Vorstands, es im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit Strom- und/oder Gaslieferverträgen in der Grund- und/oder Ersatzversorgung künftig zu unterlassen, Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG zu unterschiedlichen Preisen zu beliefern, wenn für die Unterscheidung allein das Datum des Vertragsschlusses wesentlich ist.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht gewesen, dass der Antragstellerin die angegriffene Preisgestaltung bereits erheblich vor dem 30.12.2022 bekannt gewesen sei, sodass bereits kein Verfügungsgrund vorliege. Dies hat die Antragsgegnerin im Einzelnen dargelegt.

Jedenfalls sei die Preisdifferenzierung nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses zulässig. Die Differenzierung sei erfolgt, weil zahlreiche Kunden aufgrund von Kündigungen oder Insolvenzen dritter Energielieferanten die Grund- oder Ersatzversorgung in Anspruch nähmen. Daher sei der Energiebedarf der Grundversorger sprunghaft angestiegen, sodass die zusätzlich benötigte Energie kurzfristig am Markt zu erheblich höheren Preisen beschafft werden müsse. Diese Differenzierung werde - unstreitig - stufenweise wieder abgebaut.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 08.02.2022 zurückgewiesen. Ob ein Verfügungsgrund bestehe, könne offenbleiben, weil kein Verfügungsanspruch bestehe. Zwar sei die Antragstellerin anspruchsberechtigt im Sinne des UKlaG. Ein Verstoß gegen § 36 Abs. 1 S. 1, § 38 Abs. 1 EnWG liege indes nicht vor. Dies hat ...

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