Leitsatz

Rechtsverfolgungskosten eines Berufssoldaten für ein gegen ihn geführtes Wehrdisziplinarverfahren sind als Werbungskosten abzugsfähig. Die zur Abzugsfähigkeit von Prozesskosten eines Strafverfahrens ergangene Rechtsprechung des BFH ist auf Rechtsverfolgungskosten für ein Wehrdisziplinarverfahren nicht übertragbar.

Hintergrund: Gesetzliche Regelungen

Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht. Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h., wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einnahmen stehen. Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die - wertende - Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments", zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre.

 

Sachverhalt

Rechtsanwaltskosten für Vertretung im Disziplinarverfahren

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2018 als Berufssoldat der Bundeswehr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts C (AG) wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten schuldig gesprochen und kostenpflichtig verwarnt. Ferner behielt sich das AG eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen vor.

Noch während des laufenden Strafverfahrens wurde gegen den Kläger ein gerichtliches Wehrdisziplinarverfahren eröffnet, welches neben dem im Strafverfahren behandelten Vorwurf zahlreiche weitere mutmaßliche Disziplinarvergehen - im Wesentlichen in Gestalt von Beiträgen auf seinem Social-Media-Account - zum Gegenstand hatte.

Für seine Vertretung in dem Disziplinarverfahren wandte der Kläger im Streitjahr Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.785 EUR auf, deren Abzug er als außergewöhnliche Belastungen in seiner Einkommensteuererklärung beantragte. Zum Nachweis legte er u.a. ein Schreiben seines Prozessvertreters vor, nach welchem im Wehrdisziplinarverfahren die Entfernung aus dem Dienstverhältnis im Raum stehe.

Das Finanzamt (FA) berücksichtigte die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten weder als Werbungskosten noch als außergewöhnliche Belastungen.

Das FG gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage statt und erkannte die dem Kläger entstandenen Rechtsanwaltskosten in voller Höhe als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit an.

 

Entscheidung

BFH bestätigt Rechtsauffassung des FG

Der BFH hat entschieden, dass das FG hat die Rechtsanwaltskosten des Klägers für seine Vertretung im Wehrdisziplinarverfahren zu Recht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) berücksichtigt hat.

Rechtsverfolgungskosten teilen regelmäßig Schicksal der streitigen Aufwendungen

Kosten der Rechtsverfolgung (Beratungs-, Vertretungs- und Prozesskosten) teilen grundsätzlich die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren. Ist Gegenstand des Rechtsstreits ein Vorgang der Privatsphäre (z.B. das Bestehen eines Erbrechts), so sind die Kosten der Rechtsverfolgung nicht abzugsfähig. Der Abzug von durch einen Strafprozess verursachten Rechtsverfolgungskosten als Werbungskosten setzt voraus, dass die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Tat in Ausübung und nicht nur gelegentlich der Berufstätigkeit begangen worden ist. Bei zivil- oder arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten besteht ein Zusammenhang zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Streitigkeit das Arbeitsverhältnis betrifft.

Die Beurteilung, ob Aufwendungen beruflich oder privat veranlasst sind, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung des FG. Diese ist für das Revisionsgericht bindend, wenn sie verfahrensrechtlich ordnungsgemäß durchgeführt wurde und nicht gegen Denkgesetze verstößt oder Erfahrungssätze verletzt.

Würdigung des FG nicht zu beanstanden

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Würdigung des FG, nach der die Rechtsanwaltskosten des Klägers für dessen Vertretung im Wehrdisziplinarverfahren durch dessen nichtselbständige Arbeit veranlasst sind, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang der Aufwendungen zu den Einkünften aus der Tätigkeit des Klägers als Berufssoldat ergibt sich schon daraus, dass Gegenstand des Verfahrens die Ahndung von Dienstvergehen durch Verhängung von Disziplinarmaßnahmen ist, die sich auf das Dienstverhältnis und das berufliche Fortkommen auswirken.

Ein (behördliches wie gerichtliches) Wehrdisziplinarverfahren dient ausschließlich der Ahndung von Dienstvergehen durch Verhängung von Disziplinarmaßnahmen. Kosten eines Soldaten für seine Verteidigung in einem solchen Wehrdisziplinarverfahren haben mithin den Zweck, entweder schon die Feststellung eines Dienstvergeh...

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