BFH zur Schätzungsbefugnis bei Altkassen

Mit einer Frage der Schätzung durch die Finanzverwaltung bei Nutzung eines alten Kassensystems durch den Steuerpflichtigen setzte sich der BFH in einem Urteil vom 28.11.2023 (X R 3/22) auseinander. 

Schätzungsbefugnis bei Altkassen

Die Entscheidung betrifft oberflächlich gesehen den Einsatz eines alten Kassensystems, das bereits seit dem 1.1.2020 nicht mehr eingesetzt werden darf. Allerdings trifft der BFH auch allgemeine Aussagen zur Schätzung. Eine solche ist dann zulässig, wenn die Buchhaltung nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann. Eine Vollschätzung ist hierbei nach § 158 Abs. 2 AO dann zulässig, wenn die Buchführung und die sonstigen Aufzeichnungen schwere Mängel aufweisen. Dabei ist die Aussage des BFH erfreulich, dass nicht allein aufgrund der Tatsache, dass das verwendete Kassensystem objektiv manipulierbar war, eine Schätzung erfolgen kann. Vielmehr müssen – und dies ist sicherlich zutreffend – Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Steuerpflichtige im jeweiligen Einzelfall auch tatsächlich eine Manipulation vorgenommen hat. Da dies hier nicht der Fall war, hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Sachverhalt zur erneuten Entscheidung zurück. Eine andere Entscheidung durch den BFH wäre auch unter rechtsstaatlichen Erwägungen sehr fraglich gewesen. Schließlich kann eine negative Entscheidung gegen den Steuerpflichtigen nicht aufgrund eines reinen Verdachts erfolgen.

Sachverhalt: Gastronom verwendet manipulierbare Kasse – Streit um hohe Schätzung

Der Kläger betrieb in den Streitjahren ein Restaurant, in dem ein Großteil der Einnahmen durch Barzahlungen erfolgte. Der Kläger verwendete hierbei eine elektronische Registrierkasse, die bereits dem Grunde nach aus den 1980iger Jahren stammte. Im Rahmen einer Betriebsprüfung beauftragte die Finanzverwaltung einen Sachverständigen mit einer Begutachtung des Kassensystems. Dieser kam zu der Auffassung, dass das System manipulierbar sei. Eine tatsächliche Manipulation durch den Kläger konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. Das Finanzamt sah alles in allem die Aufzeichnungen des Klägers als nicht ordnungsgemäß an und nahm deshalb eine Vollschätzung der Umsätze vor. Dies führte zu weit höheren Einnahmen und dementsprechend Steuernachforderungen.  Einspruchs- und Klageverfahren gegen die geänderten Steuerbescheide hatten keinen Erfolg, sodass sich der Kläger an den BFH wandte.

BFH: Steuerpflichtige verdienen Vertrauensschutz

Der BFH sah die Revision als begründet an und hob die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts auf. Eine Schätzung komme nach § 158 Abs. 2 AO in Betracht, wenn die Aufzeichnungen nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden können, da Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der erklärten Einnahmen bestehen. Zwar weisen die Aufzeichnungen des Klägers Mängel auf, diese sind aber nicht derart gravierend, dass eine Vollschätzung in Betracht kommt. Zwar hat der Kläger eine Registrierkasse einfachen Typs verwendet, die objektiv manipulierbar ist. Dies spricht schon für einen gravierenden Mangel. Allerdings ist die Erkenntnis, dass das Kassensystem manipulierbar ist, erst im Laufe der Zeit aufgekommen. Insofern kann dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er das alte System verwendet hat. Zudem wurde nicht nachgewiesen, dass der Kläger die Kasse tatsächlich manipuliert hat. Der Sachverhalt ist erneut durch das Finanzgericht aufzuklären und sodann neu zu würdigen.

BFH, Urteil v. 28.11.2023, X R 3/22