Weniger Beleidigungen im Jobcenter

Das Jobcenter in Hof wurde mit dem Arbeitsschutzpreis 2013 ausgezeichnet. Mit einem eigenen Sicherheitskonzept werden dort die Mitarbeiter auf Konfliktsituationen und gefährliche Situationen vorbereitet. Denn verbale oder körperliche Übergriffe können sich in einem Jobcenter immer ereignen.

Die Haufe Arbeitsschutz-Redaktion sprach mit Geschäftsführer Uwe Mayer über Hintergründe und Umsetzung in der Praxis.

Herr Mayer, wodurch und seit wann ist der Bedarf an Arbeitsvermittlung in Hof gestiegen und mit welchen Folgen für die Mitarbeiter des Jobcenters?

Mitte der 1990er-Jahre wurden die Arbeitsplätze in der Textil- und Porzellanindustrie in der Region abgebaut. Vor allem Beschäftigte mit niedriger Qualifikation fanden keine adäquate Arbeitsstelle mehr. Die Stadt Hof nimmt bis heute die zweitschlechteste Position in der Arbeitslosenstatistik in Bayern ein.

2005 wurde die Kundenzahl für unser Jobcenter sehr optimistisch angesetzt. Ein Jahr später hatten wir 1.000 Bestandskunden mehr als erwartet. Das war der Höchststand. Dadurch stieg natürlich der Personalbedarf. In der Zwischenzeit ist es uns gelungen, die 1.000 wieder abzubauen, d. h., wir haben unseren Startstatus wieder erreicht.

Nachdem der Bestand so deutlich abgebaut war, kam allerdings der „harte Kern“ zum Vorschein, also der Kundenkreis, der schon 2005 im Bestand war. Hier handelt es sich um Kunden, die multiple Hemmnisse und Probleme haben, wie psychische Erkrankungen oder Drogenabhängigkeit.

Und warum haben Sie das Sicherheitskonzept „Sicherheit und Gesundheit für Mitarbeiter“ erst später entwickelt?

2011 gab es eine Verfassungsänderung im Bereich des SGB II. Danach erhielten die Jobcenter mehr Selbstständigkeit. Wofür vorher die Agentur für Arbeit oder die Kommunen zuständig waren –, die Bereiche Sicherheit und Gesundheitsschutz – fällt seitdem in den Verantwortungsbereich der Geschäftsführung der Jobcenter.

Wie lange hat es gedauert, bis das Konzept stand? Wer war daran beteiligt bzw. wer hat Sie von außen unterstützt?

Wir haben 2011 sofort begonnen. Es hat allerdings etwa anderthalb Jahre gedauert, bis das Konzept erstellt war. Federführend war unsere Sicherheitsbeauftragte daran beteiligt, außerdem der Personalrat und die Geschäftsführung. Bei den Mitarbeitern haben wir uns Anregungen geholt, denn die Akzeptanz und die aktive Mitarbeit sind Grundvoraussetzungen, dass solch ein Konzept in der Praxis funktionieren kann.

Zum Teil haben wir auf vorhandene Konzepte der Arbeitsagentur zurückgegriffen. Doch vor allem die Unterstützung von extern hat viel gebracht. So sind wir z. B. mit der Polizei ins Gespräch gegangen und haben hilfreiche Tipps und Verhaltenshinweise bekommen. Sie haben uns u. a. auch darauf aufmerksam gemacht, dass wir keinen bzw. einen veralteten Gebäudeplan haben.

Zur Gefahrenanalyse wurden wir außerdem von einem technischen Berater unterstützt. Zusätzlich haben wir eine Mitarbeiterbefragung mit Fragebögen durchgeführt. Damit wurde z. B. erkundet, ob und in welchen Situationen sich die Mitarbeiter bedroht fühlen.

Welche Bausteine umfasst das Konzept?

Das Konzept umfasst ganz unterschiedliche Themen, wie Verhalten im Gefahrenfall allgemein oder die Brandschutzverordnung. Aber auch zu Amoklauf gibt es Materialien. Diese Extremsituation ist aber zum Glück noch nicht vorgefallen.

Für den Gesundheitsschutz haben wir u. a. größere Räume geschaffen und an anderer Stelle wurden Zwischentüren eingebaut. Wir haben die Schreibtische nach ergonomischen Gesichtspunkten ausgerichtet. Und in unserem Wartebereich haben wir Spielcomputer für Kinder aufgestellt; denn quengelnde Kinder können für Wartende eine Belastung darstellen und aggressiv machen.

Ein kostengünstiges Angebot fällt mir da noch ein, das sehr gut angenommen wird. Wir haben 2Blutdruckmessgeräte angeschafft, die gerne und regelmäßig genutzt werden. Hat jemand zu hohe Werte, unterstützen ihn die anderen, dass er etwas dagegen unternimmt.

Die einzelnen Veränderungen wurden natürlich nicht alle auf einmal durchgeführt, denn bauliche Maßnahmen kosten Geld.

Wie schulen Sie Ihre Mitarbeiter? Welchen Schulungsbedarf nennen die Mitarbeiter von sich aus?

Schulungen zur Sicherheit und Gesundheit finden regelmäßig statt. Unsere Sicherheitsbeauftragte ist ausgebildete Rettungssanitäterin. Von ihrem Wissen und ihren Erfahrungen profitieren wir. Für andere Themen holen wir externe Anbieter.

So hatten wir schon mehrmals die Feuerwehr im Haus. Einmal hat sie einen echten, kontrollierten Brand auf dem Hof gelegt. Die Mitarbeiter konnten so den Einsatz von Feuerlöschern üben. Das Selbstmachen ist ganz anders als ein Vortrag darüber, wo man ziehen und wo man drücken muss.

Für die Mitarbeiter war anfangs besonders das Thema Deeskalation wichtig. So haben wir u. a. Selbstverteidigungskurse angeboten. Allerdings nicht, wie manch einer jetzt vermutet, um sich besser wehren zu können, sondern um Auftreten und Selbstvertrauen zu stärken. Denn bei solchen Kursen lernt man, aus der Opferrolle herauszutreten.

Lassen sich die Erfolge des Sicherheitskonzeptes messen? Und wenn ja, wie?

Das ist schwer messbar. Allerdings fällt auf, dass wir in letzter Zeit weniger Vorfälle, wie z. B. Beleidigungen, haben. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass wir jeden Fall anzeigen. So was spricht sich rum. Auch die Staatsanwaltschaft hat erkannt, dass das etwas verändert, denn die Anzeigen werden weniger.

Für welche Einrichtungen könnte das Konzept "Sicherheit und Gesundheit für Mitarbeiter" interessant sein?

Nachdem wir den Arbeitsschutzpreis erhalten hatten, gab es viele Anfragen auch von Ministerien und Regierungsbehörden aus Bayern. Wenn man die örtlichen Begebenheiten berücksichtigt und das Konzept entsprechend anpasst, ist es in allen Jobcentern anwendbar. Ich denke, es eignet sich zudem für jede soziale Einrichtung mit Publikumsverkehr, wo es um Geld geht.

Ich bin mir sicher, dass viele Behörden bereits gute Konzepte haben. An denen sind wir interessiert. Denn eins ist sicher: Sicherheit und Gesundheitsschutz ist nur erfolgreich, wenn er in Bewegung bleibt.

Herr Mayer, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Bettina Brucker M. A., Freie Journalistin und Autorin.