Vorbehaltlose Entscheidung über einen Billigkeitsantrag

Setzt das Finanzamt antragsgemäß die Steuer aus Billigkeitsgründen abweichend - aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung - fest, erstreckt sich der Vorbehalt nicht auf den Billigkeitserweis.

Hintergrund
Die X-GmbH betreibt die Erzeugung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte. Bis 2006 bilanzierte sie ihr Feldinventar (d.h. die aufgrund der Feldbestellung auf den Feldern vorhandenen Pflanzenbestände). In der Bilanz des Streitjahrs 2007 setzte die GmbH das Feldinventar mit 0 EUR an. Sie führte dazu aus, sie mache von dem Wahlrecht der Nichtaktivierung des Feldinventars (gemäß R 14 Abs. 2 Satz 3 EStR) Gebrauch. Das Feldinventar im Wert von 223.000 EUR sei daher ausgebucht. Das FA veranlagte erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nach einer Außenprüfung vertrat das FA jedoch die Auffassung, das Feldinventar müsse bilanziert werden, und änderte den Bescheid entsprechend. Denn ein Landwirt sei aufgrund der Bilanzstetigkeit an eine einmal erfolgte Bilanzierung des Feldinventars gebunden. Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, das FA habe bei der Veranlagung von einer Aktivierung aus Billigkeitsgründen abgesehen.

Entscheidung
Der BFH ist - mit dem FG - der Meinung, dass der Änderungsbescheid nicht auf den Vorbehalt der Nachprüfung gestützt werden konnte. Dem stand die bindende Entscheidung des FA entgegen, der GmbH im Billigkeitswege den Abzug des Werts des Feldinventars zu gewähren.

Auch wenn eine Billigkeitsmaßnahme mit der Steuerfestsetzung verbunden wird, handelt es sich dabei um eine gesonderte Entscheidung. Die Billigkeitsentscheidung ist ein Grundlagenbescheid, der Bindungswirkung für die Steuerfestsetzung auslöst. Für den Streitfall ergibt die Auslegung, dass die GmbH mit der Steuererklärung ausdrücklich einen Billigkeitsantrag (Inanspruchnahme des Bilanzierungswahlrechts für Feldinventar) gestellt hatte und dass die GmbH den darauf ergangenen Bescheid dahin verstehen konnte, das FA habe diesem Billigkeitsantrag in vollem Umfang stattgegeben. Denn die Steuer wurde, wie beantragt, abweichend festgesetzt.

Entgegen der Meinung des FA berührt die mit dem Vorbehaltsvermerk verbundene Suspendierung der Bestandskraft des Steuerbescheids die davon abzugrenzende Billigkeitsentscheidung nicht. Der Vorbehalt der Nachprüfung erstreckt sich nicht auf die Billigkeitsmaßnahme, auch nicht mittelbar. Der Billigkeitserweis ist damit verbindlich. Denn die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf der Billigkeitsentscheidung liegen nicht vor. Der ursprüngliche Steuerbescheid konnte damit nicht unter Hinweis auf eine Ablehnung des Billigkeitsantrags geändert werden. Ob die Billigkeitsregelung als solche möglicherweise rechtswidrig war, konnte offen bleiben.

Hinweis
Die Billigkeitsentscheidung ist als Grundlagenbescheid für die ursprüngliche Steuerfestsetzung bindend. Der Steuerbescheid hätte daher nur geändert werden können, wenn die Billigkeitsentscheidung noch hätte zurückgenommen oder widerrufen werden können. Da der Vorbehalt der Nachprüfung nur Steuerfestsetzungen betrifft (auch Freistellungs-, Feststellungs-, Zerlegungs-, Zuteilungs-, Zinsbescheide usw.), können Entscheidungen über Billigkeitsmaßnahmen nicht unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassen werden.

BFH Beschluss vom 12.07.2012 - I R 32/11 (veröffentlicht am 19.09.2012)

Schlagworte zum Thema:  Land- und Forstwirtschaft, Einkommensteuer