Umsätze mit Geldspielgeräten

Der EuGH hat sich mit einem umfangreichen Fragenkatalog zu der Besteuerung der Glücksspielumsätze beschäftigt. Er hat u. a. entschieden, dass eine kumulative Erhebung von Mehrwertsteuer und nationaler Sonderabgabe auf Glücksspiele gem. Art. 401 MwStSystRL zulässig ist.

Hintergrund:

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg (Beschluss v. 21.9.2012, 3 K 104/11) ging es um die Klärung einer Reihe unionsrechtlicher Fragen, die die Umsatzbesteuerung von Spielgerätebetreibern betrafen.

Die Besteuerung von Spielgeräten ist seit Jahren Gegenstand einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren. Wiederholt ging es um die Rechtmäßigkeit von Spielgeräte- und ähnlichen Steuern, die von Städten und Gemeinden als kommunale Steuern in eigener Kompetenz von Spielhallenbetreibern erhoben werden – auch im Verhältnis zu den Spielbankabgaben, die von den Bundesländern geregelt und ausschließlich von staatlich konzessionierten Spielbanken erhoben werden. Für die bundeseinheitlich und seit Mai 2006 auch für die Umsätze mit Geldspielautomaten erhobene Umsatzsteuer legte das FG Hamburg dem EuGH einen ganzen Katalog von Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vor.

Die Klägerin betrieb im Streitjahr 2010 in Spielhallen „Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit“ und wurde zu einer kommunalen Aufwandsteuer herangezogen. An jedem "Geldspielgerät mit Gewinnmöglichkeit" las die Klägerin monatlich die Kasseneinnahmen aus der Kontrolleinrichtung aus (Kasseneinnahmen = Saldo des Kasseninhalts von Monatsanfang und Monatsende = Geldeinwurf minus Geldauswurf plus Entnahmen minus Geräteauffüllungen). Die Jahressumme aller monatlichen Kasseneinnahmen aller ihrer Geldspielgeräte ("Bruttokasse"), abzüglich darin enthaltener Mehrwertsteuer in Höhe des deutschen Normalsatzes von 19 %, erklärte die Klägerin als Bemessungsgrundlage in ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung 2010. Das Finanzamt setzte auf diese Bemessungsgrundlage Umsatzsteuer i. H. v. 19 % fest. Die Umsätze aus den Geldspielgeräten unterlagen unstreitig nicht der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG. Die Klägerin hatte jedoch Klage gegen die Umsatzsteuerfestsetzung 2010 erhoben. Sie vertrat die Auffassung, die Umsatzbesteuerung der Geldspielgeräteumsätze verstoße gegen Unionsrecht, insbesondere gegen die Grundsätze der Proportionalität, der Abwälzbarkeit und der Neutralität der Mehrwertsteuer.

Das FG Hamburg hielt es für fraglich, ob die Erhebung der Umsatzsteuer für Spielgeräte oder jedenfalls die Art ihrer Berechnung mit der vorrangig zu beachtenden MwStSystRL im Einklang steht. Dabei hatte das FG 2 Grundsätze des Mehrwertsteuersystems im Blick. Nach dem Proportionalitätsgrundsatz der MwStSystRL ist die Steuer genau proportional zum Preis der jeweiligen Gegenstände und Dienstleistungen. Nach dem Grundsatz der Abwälzbarkeit ist für die Mehrwertsteuer kennzeichnend, dass sie vom Unternehmer auf den Endverbraucher abgewälzt wird. Das FG fragte, ob es richtig ist, den monatlichen Kasseninhalt des Spielgeräts zur Bemessungsgrundlage zu nehmen, ohne zu berücksichtigen, wie viel der einzelne Spieler gewonnen oder verloren hat. Fraglich sei auch, welche Bedeutung den Regelungen in der deutschen Spielgeräteverordnung für die Frage der Abwälzbarkeit zukommt, die die Höhe des möglichen Verlustes eines Spielers begrenzen und dem Spielgerätebetreiber damit nicht erlauben, die Umsatzsteuer über einen höheren „Preis“ an den Spieler weiterzureichen.

Das FG problematisierte auch den Umstand, dass in Deutschland zwar inzwischen aufgrund einer Entscheidung des EuGH die Umsätze der mit den Spielhallen im Wettbewerb stehenden Spielbanken mit Glücksspielautomaten umsatzsteuerpflichtig geworden sind, ihre Umsatzsteuerschuld aber betragsgenau auf die von ihnen zu zahlende Spielbankabgabe angerechnet wird. Mehr am Rande nahm der Beschluss des FG eine Äußerung des Generalanwalts beim EuGH in einem anderen Glücksspielverfahren zum Anlass, den EuGH zu fragen, ob es das Mehrwertsteuersystem überhaupt erlaubt, auf Glücksspiele Umsatzsteuer und Sonderabgaben, wie etwa eine Spielgerätesteuer, nebeneinander zu erheben.

Das Vorabentscheidungsersuchen betraf die Auslegung der Art. 1 Abs. 2 Satz 1, Art. 73, Art. 135 Abs. 1 Buchst. i und 401 MwStSystRL. Die Steuerbefreiung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL ist im UStG in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG umgesetzt (danach sind steuerfrei: die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen; nicht befreit sind die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze, die von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind oder von denen diese Steuer allgemein nicht erhoben wird).

Die Zulassung von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit ist auf Grundlage einer Durchführungsermächtigung gem. § 33f der Gewerbeordnung in der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (Spielverordnung - in der Fassung der Bekanntmachung v. 27.1.2006, BGBl 2006 I S 280) geregelt (vgl. dazu insbesondere §§ 12 und 13 Spielverordnung).

Die Verordnung über öffentliche Spielbanken (v. 27.7.1938 in der Textfassung v. 1.1.1964) enthält in § 6 Abs. 1 der Verordnung eine Regelung, wonach Spielbankbetreiber für den Betrieb einer Spielbank u. a. von den laufenden Steuern, die vom Umsatz erhoben werden, befreit sind. Diese lediglich in der Rechtsverordnung enthaltene Umsatzsteuerbefreiung ist jedoch aufgrund des Gesetzesvorrangs des UStG nicht anwendbar. Vielmehr unterliegen die Umsätze aus dem Betrieb von Spielbanken seit dem 6.5.2006 der Umsatzsteuer. Zuvor enthielt § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG eine Umsatzsteuerbefreiung für die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind.

Der Betrieb von Spielbanken unterliegt der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer. Nach den Spielbankgesetzen der einzelnen Bundesländer haben die Spielbankbetreiber eine Spielbankabgabe nach örtlich unterschiedlichen Sätzen zu entrichten. Bemessungsgrundlage ist jeweils der Bruttospielertrag. Die Landes-Spielbankgesetze sehen regelmäßig vor, dass die nach dem UStG geschuldete und entrichtete Umsatzsteuer aufgrund von Umsätzen, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, auf die Spielbankabgabe angerechnet wird.

Entscheidung:

Die Frage, ob Art. 401 i. V. m. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL es gebieten, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe (hier Spielbankabgabe) auf Glücksspiele nur alternativ und nicht kumulativ erhoben werden dürfen, hat der EuGH ganz klar mit Bezug auf frühere Rechtsprechung verneint. Der Wortlaut von Art. 401 MwStSystRL verbietet es den Mitgliedstaaten nicht, einen Umsatz der Mehrwertsteuer und, kumulativ, einer Sonderabgabe zu unterwerfen, die keinen Umsatzsteuercharakter hat. Speziell zu Glücksspielen mit Geldeinsatz hatte der EuGH bereits entschieden, dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL es gestattet, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz zu befreien (EuGH, Urteil v. 10.6.2010, C-58/09, Leo-Libera). Hinsichtlich des Neutralitätsgrundsatzes ist es ohne Belang, dass die Höhe einer nicht harmonisierten Abgabe auf Spiele, zu der bestimmte Veranstalter und Betreiber von Glücksspielen mit Geldeinsatz ebenfalls herangezogen werden, an die für diese Umsätze geschuldete MwSt angepasst wird. Der EuGH hatte also bereits bestätigt, dass das Unionsrecht einer kumulativen Erhebung von Mehrwertsteuer und einer anderen allgemeinen Abgabe auf Glücksspiele, die nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat, grundsätzlich nicht entgegensteht.

Zu der Frage der Bemessungsgrundlage, ob es nach Art. 73 MwStSystRL untersagt ist, dass beim Betrieb von Spielgeräten die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Geräte nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, hat der EuGH unter Verweis auf frühere Rechtsprechung entschieden, dass sich die Bemessungsgrundlage danach richtet, was der Unternehmer tatsächlich als Gegenleistung erhält, und nicht danach, was ein bestimmter Adressat in einem konkreten Fall zahlt. Da sich der Grundsatz der Proportionalität der Mehrwertsteuer nur auf die Bemessungsgrundlage beziehen kann, verstößt die bei Glücksspielumsätzen geübte Besteuerungspraxis, bei der als Bemessungsgrundlage die monatlichen Kasseneinnahmen zugrunde gelegt werden, die ihrerseits von der Höhe der Gewinne und Verluste der jeweiligen Spieler abhängen, nicht schon deshalb gegen das Unionsrecht, weil keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler besteht. Nach den weiteren Entscheidungsgründen ist das EuGH, Urteil v. 5.5.1994, C-38/93, Glawe, auf den vorliegenden Fall übertragbar. Unter diesen Umständen wird im vorliegenden Fall wie in der Sache Glawe die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, durch zwingende gesetzliche Vorschriften (hier die Spielverordnung) festgelegt und besteht daher nur in dem Teil der Einsätze, über den der Gerätebetreiber effektiv selbst verfügen kann.

Auf die Fragen, ob die Erhebung der Mehrwertsteuer voraussetzt, dass der Unternehmer die Steuer auf den Spieler abwälzen kann, und ob, wenn ja, zur Abwälzbarkeit die rechtliche Zulässigkeit eines entsprechend höheren Preises gehört, und ob eine innerstaatliche Regelung (hier die Spielverordnung), die das dem Betreiber zustehende Entgelt beschränkt, so anzuwenden ist, dass das Entgelt die Mehrwertsteuer nicht einschließt, hat der EuGH Folgendes geantwortet: Dass es speziell eine „Preisregulierung“ und/oder eine gesetzliche Begrenzung der Verluste der Benutzer von Spielgeräten gibt, ist dem Grundsatz nach vom EuGH im Urteil Glawe implizit gebilligt worden, insbesondere im Hinblick auf ihre Behandlung für Zwecke der Mehrwertsteuer-Erhebung. In dem Urteil Glawe hatte der EuGH unter Zugrundelegung eines gesetzlichen Gewinnanteils von 60 % ausgeführt, dass diese Gewinne, deren Auszahlung das deutsche Recht vorschrieb, nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen waren. Demnach sind die Mitgliedstaaten im Bereich der Glücksspiele mit Geldeinsatz grundsätzlich berechtigt, insbesondere die Einsätze, Gewinne und Verluste der Spieler temporär oder absolut zu begrenzen. Wenn ein Mitgliedstaat dies praktiziert, stellt sich – so der EuGH im vorliegenden Urteil - nicht die Frage, ob die Betreiber von Spielgeräten ihre Einnahmen über die vorgesehenen Grenzen hinaus erhöhen dürfen, um Mehrwertsteuer in höherem Maße auf die Spieler abwälzen zu können. Eine solche Erhöhung sei schlicht in legitimer Weise verboten.

Nach den weiteren Ausführungen des EuGH wird im Ausgangsfall die Abwälzung der Mehrwertsteuer auf den Endverbaucher nicht verhindert. Der EuGH stellt klar, dass zur Bemessungsgrundlage nur die Einnahmen gehören, die der Betreiber tatsächlich erzielt, und dass die geschuldete Mehrwertsteuer, die sich aus der Nettokasse als Bemessungsgrundlage ergibt, von den Endverbrauchern auch tatsächlich gezahlt worden ist. Damit erlaubt die Spielverordnung die Abwälzbarkeit der Mehrwertsteuer.

Die Frage der Zulässigkeit der Anrechnung von Umsatzsteuer auf die Spielbankabgabe hat der EuGH ebenfalls bejaht. Der Neutralitätsgrundsatz, der insoweit berührt sein könnte, bezieht sich nur auf die Umsatzsteuer als harmonisierte Abgabe, nicht auf nicht harmonisierte Abgaben. Da die Mehrwertsteuer auf die Spielbankabgabe als eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird und nicht umgekehrt, könnte dies nach dem Urteil allenfalls Zweifel in Bezug auf den Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Spielbankabgabe aufwerfen. Der EuGH weist darauf hin, dass er bereits entschieden hatte, dass es für den Neutralitätsgrundsatz unerheblich ist, dass die Höhe einer nicht harmonisierten Abgabe auf Spiele (hier die Spielbankabgabe), zu der Spielbankbetreiber als Betreiber von Glücksspielen mit Geldeinsatz ebenfalls herangezogen werden, an die für diese Umsätze geschuldete Mehrwertsteuer angepasst wird (vgl. EuGH, Urteil v. 10.6.2010, C-58/09, Leo-Libera).

Praxishinweis:

Durch das Urteil ist deutlich geworden, dass eine kumulative Erhebung von Mehrwertsteuer und nationaler Sonderabgabe auf Glücksspiele gem. Art. 401 MwStSystRL zulässig ist. Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Danach hindert die MwStSystRL die Mitgliedstaaten nicht daran, Abgaben u. a. auf Spiele sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Steuern, Abgaben und Gebühren nicht mit Formalitäten im Grenzverkehr zwischen den Mitgliedstaaten verbunden sein dürfen.

Als Bemessungsgrundlage ist gem. Art. 73 MwStSystRL beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt („elektronisch gezählte Kasse“) nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums heranzuziehen.

Die Erhebung der Mehrwertsteuer setzt keine tatsächliche Abwälzbarkeit der Steuer im Einzelfall voraus. Andernfalls würde in Fällen, in denen die Mehrwertsteuer aufgrund gesetzlicher Preisvorgaben oder aufgrund der tatsächlichen Marktsituation nicht zu höheren Bruttopreisen führt, eine Erhebung der Mehrwertsteuer ins Leere laufen. Dies aber würde der praktischen Wirksamkeit des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems massiv zuwider laufen, da die Mitgliedstaaten dann die Steuer in Abhängigkeit von den jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Marktsituation erheben müssten. Der Grundsatz der Abwälzbarkeit bei Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit ist nach dem Urteil gleichwohl gewahrt.

Die MwStSystRL verbietet es auch nicht, bei der Berechnung einer nationalen nicht harmonisierten Abgabe (hier der Spielbankabgabe) die geschuldete Mehrwertsteuer anzurechnen. Im Ergebnis zielt diese Anrechnung darauf ab, nur den Netto-Spielertrag, d. h. den Spielertrag abzüglich Mehrwertsteuer, der Spielbankabgabe zu unterwerfen. Der Umstand, dass die Spielbankabgabe statt auf die Netto-Spielerträge auf die Bruttospielerträge unter Anrechnung der Umsatzsteuer berechnet wird, ist historisch bedingt durch die frühere nationale Umsatzsteuerbefreiung für Spielbanken. Diese Berechnungsmodalität der Spielbankabgabe ist nicht geeignet, die Erhebung der Spielbankabgabe selbst oder die Umsatzbesteuerung der Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit in Frage zu stellen.

EuGH, Urteil v. 24.10.2013, C-440/12 (Metropol Spielstätten Unternehmergesellschaft)