Notrufsystem als haushaltsnahe Dienstleistung

Für ein mit der Betreuungspauschale abgegoltenes Notrufsystem innerhalb einer Wohnung im Rahmen des "Betreuten Wohnens" steht die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen zu.

Hintergrund

X bewohnt eine Drei-Zimmer-Wohnung in einer Seniorenresidenz im Rahmen des "Betreuten Wohnens". Neben dem Mietvertrag mit dem Wohnungseigentümer schloss er mit dem Betreiber der Residenz einen Seniorenbetreuungsvertrag. Darin verpflichtete sich der Betreiber gegen eine monatliche Betreuungspauschale u.a. zur Bereitstellung eines rund um die Uhr zur Verfügung stehenden Notrufsystems sowie zur Soforthilfe im Notfall und zur Versorgung bei kurzzeitiger Erkrankung. Die Pauschale war auch dann zu entrichten, wenn keine Leistungen in Anspruch genommen wurden.

Im Streitjahr 2011 bezahlte X eine Betreuungspauschale von insgesamt 1.785 EUR (monatlich 148,75 EUR). Die Pauschale diente zu 80 % der Besetzung des Notrufsystems und zu 20 % (357 EUR) beratenden und kulturellen Leistungen. X machte für 2011 - neben nicht streitigen und vom FA anerkannten Kosten für Hausmeister und Hausreinigung - auch 76 % der Pauschale (1.357 EUR) als Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35 EStG geltend. Das FA lehnte die Berücksichtigung der anteiligen Betreuungspauschale ab. Das FG zeigte sich großzügiger und gab der Klage statt.

Entscheidung

Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG sind u.a. Aufwendungen wegen einer Heimunterbringung begünstigt, soweit darin Kosten für Dienstleistungen enthalten sind, die mit einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind. Das Wirtschaften im Haushalt umfasst Tätigkeiten, die  für die Haushaltung oder die Haushaltsmitglieder erbracht werden. Dazu gehören Einkaufen, Kochen, Waschen, Raumpflege, Gartenpflege sowie auch Pflege und Betreuung von Kindern und alten oder kranken Haushaltsangehörigen. "Haushaltsnahe Leistungen" sind solche, die eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung haben bzw. damit in Zusammenhang stehen. Dazu gehören Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abstünden anfallen.

Hiervon ausgehend handelt es sich bei dem mit der Betreuungspauschale abgegoltenen Notrufsystem um eine haushaltsnahe Dienstleistung. Denn durch die Rufbereitschaft wird sichergestellt, dass ein Bewohner, der sich im Rahmen seines - im Bereich des "Betreuten Wohnens" geführten - Haushalts aufhält, im Bedarfsfall Hilfe rufen kann. Eine solche Rufbereitschaft wird typsicherweise in einer Haushaltsgemeinschaft von Familien- oder Haushaltsangehörigen erbracht.

"In" einem Haushalt wird die Dienstleistung erbracht, wenn sie im räumlichen Bereich des Haushalts geleistet wird. Der Begriff des Haushalts ist insoweit räumlich-funktional auszulegen. Die Rufbereitschaft stellt die Gewährleistung entsprechender Hilfe sicher. Der Leistungserfolg tritt damit in der Wohnung ein. Somit wird die Leistung im räumlichen Bereich des Haushalts erbracht. X steht demnach die Steuerbegünstigung (Ermäßigung der ESt um 20 % der Aufwendungen, höchstens 4.000 EUR) für die auf das Notrufsystem entfallenden Kosten zu. Der den Notruf betreffende Anteil betrug 80 % der Kosten des Systems. X hatte allerdings lediglich 76 % geltend gemacht. Daher war ihm in dieser Höhe der Abzug zu gewähren. Die Revision des FA wurde daher zurückgewiesen. 

Hinweis

Der BFH legt den Begriff des Haushalts räumlich-funktional aus. Die Grenzen des Haushalts werden nicht durch die Grundstücksgrenze abgesteckt, sondern umfassen auch Leistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze erbracht werden, sofern sie noch in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Der BFH bejaht dies für das Notrufsystem damit, dass der Leistungserfolg in der Wohnung eintritt. Unerheblich ist, dass sich die Notrufzentrale außerhalb des Haushalts befindet.

Die Entscheidung hat nicht nur Bedeutung für Heimbewohner. Die Grundsätze sind darüber hinaus auf alle Fälle übertragbar, in denen eine (normale) Wohnung wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Bewohner mit einem Notrufsystem verbunden wird. Das muss unabhängig davon gelten, ob die Notrufzentrale im gleichen Gebäude bzw. in dessen räumlicher Nähe untergebracht ist. Auch wenn der Notruf über die Telefonleitung zu einer weit entfernten Zentrale geleitet wird, tritt der Leistungserfolg, die jederzeitige Sicherstellung schneller Hilfe, in der Wohnung und damit im Bereich des Haushalts ein.

BFH, Urteil v. 3.9.2015, VI R 18/14 , veröffentlicht am 28.1.2016

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