Entstrickungsbesteuerung verstößt nicht gegen EU-Recht

Die sog. Entstrickungsbesteuerung bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte ist mit EU-Recht vereinbar. Das hat der EuGH mit Urteil vom 21.5.2015 entschieden.

Im Streitfall ging es um die Frage der Besteuerung von stillen Reserven im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern einer Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, die in eine im Ausland (hier: Niederlande) belegene Betriebsstätte dieser Gesellschaft überführt werden.

Die aktuelle Regelung (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG) beruhte ursprünglich auf BFH-Rechtsprechung (Theorie der finalen Entnahme) und wurde ab VZ 2006 erstmals gesetzlich geregelt. Später erfolgten weitere Änderungen.

Der EuGH kam zu folgendem Ergebnis (Leitsatz):

Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats wie der, um die es im Ausgangsverfahren geht, nicht entgegensteht, die im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft in eine Betriebsstätte dieser Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat vorsieht, dass die mit diesen Wirtschaftsgütern verbundenen, in diesem ersten Mitgliedstaat gebildeten stillen Reserven aufgedeckt und besteuert werden und die Steuer auf diese stillen Reserven auf zehn Jahre gestaffelt erhoben wird.

Das FG Düsseldorf (Beschluss v. 5.12.2013, 8 K 3664/11 F, Haufe Index 6428463) hatte zuvor bezweifelt, dass die deutsche Regelung mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist, und diese Frage zur Vorabentscheidung dem EuGH vorgelegt. Dieser stellte zwar eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit fest, hielt diese aber aus Gründen des Allgemeininteresses für objektiv gerechtfertigt. Die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten sei ein anerkanntes legitimes Ziel und die Mitgliedstaaten blieben mangels unionsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen befugt, zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen. Auch die Verhältnismäßigkeit sei bei einer auf 10 Jahre gestaffelten Erhebung der Steuer gewahrt. Letzteres konnte der EuGH kaum anders beurteilen, da er bereits in einer früheren Entscheidung (C-164/12) eine Verteilung über 5 Jahre als verhältnismäßig angesehen hatte.

Hinweis: Der aktuelle § 4g EStG sieht die Bildung eines Ausgleichspostens für die betreffenden stillen Reserven vor, der ebenfalls über 5 Jahre aufzulösen ist.

EuGH, Urteil v. 21.5.2015, C-657/13 (Verder LabTec)