Bindung an Feststellungen des steuerlichen Einlagekontos

Die Regelung, nach der Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören, soweit für diese das steuerliche Einlagekonto als verwendet gilt, knüpft tatbestandlich an die ausgewiesenen Bestände des steuerlichen Einlagekontos an.

Hintergrund

Streitig war die Rechtmäßigkeit des gegenüber der GmbH ergangenen Nachforderungsbescheids über KapESt sowie den darauf entfallenden SolZ.

Die Gesellschafter der GmbH hatten in 2006 die Teilauszahlung der Kapitalrücklage beschlossen und deren Ausweis in der Handelsbilanz entsprechend gemindert. Gleichwohl erklärte die GmbH zum 31.12.2006 ein gegenüber der Feststellung zum Jahresende 2005 unverändertes steuerliches Einlagekonto. Das FA entsprach der Erklärung mit Feststellungsbescheid (März 2008). Im November 2006 wurde das Einlagekonto - in Anpassung an die geänderte Feststellung des Vorjahrs  - zum 31.12.2006 in gleicher Höhe festgestellt. Der Feststellungsbescheid wurde von der GmbH nicht angefochten und wurde materiell bestandskräftig.

Das FA war der Ansicht, die GmbH habe an ihre Gesellschafter zwar Leistungen aus ihrer Kapitalrücklage erbracht. Da sie ihren Anteilseignern jedoch keine entsprechende Bescheinigung erteilt habe, gelte der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit Null bescheinigt. Mangels Bescheinigung trete eine Verringerung des Einlagekontos nicht ein. Das FA machte dementsprechend mit Nachforderungsbescheid (August 2009) gegenüber der GmbH als Entrichtungsschuldnerin für 2006 die nicht einbehaltene KapESt (zuzüglich den darauf entfallenden SolZ) geltend.

Das FG wies die Klage ab. Da der Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2006 dem zum 31.12.2005 festgestellten Bestand entspreche, sei keine Verwendung des steuerlichen Einlagekontos festgestellt worden, sodass die Bezüge zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Einnahmen gehörten.

Entscheidung

Die Ausschüttungen der GmbH gehören zu den Gewinnanteilen und unterliegen dem Abzug der KapESt. Der BFH wies daher die Revision der GmbH zurück.

Die GmbH ist der Meinung, sie habe keine Gewinne ausgeschüttet, sondern ihren Gesellschaftern die von diesen erbrachten Kapitalrücklagen erstattet. Die Ausschüttungen gehörten deshalb nicht zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Erträgen der Gesellschafter (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Diesen Einwand weist der BFH bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen zurück. Das steuerliche Einlagekonto wurde zum Jahresende 2006 ebenso wie für 2005 auf den gleichen Betrag festgestellt. Diese nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG getroffenen Feststellungen entfalten, obwohl sie an die Kapitalgesellschaft gerichtet sind, auch für die Anteilseigner eine materiell-rechtliche Bindung. Demgemäß ist nicht nur die mit den Feststellungen des steuerlichen Einlagekontos für die Leistungen der Körperschaft verbundene Verwendungsfiktion (d.h. dass die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto als verwendet gelten) auch auf der Ebene der Gesellschafter zu beachten. Vielmehr bedeutet die materiell-rechtliche Bindung des Gesellschafters auch, dass er sich nicht darauf berufen kann, das steuerliche Einlagekonto sei im Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos unzutreffend ausgewiesen. Aufgrund der Bestandskraft ist den Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids nicht nachzugehen.

Hinweis

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG gehören Bezüge nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit sie aus Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.v. § 27 KStG als verwendet gelten (Verwendungsfiktion). Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG wird der Bestand des steuerlichen Einlagekontos unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge gesondert festgestellt. Diese Feststellung ist auch für die Besteuerung der Anteilseigner materiell-rechtlich bindend. Diese Bindung bewirkt im Streitfall, dass keine Ausschüttungen vorliegen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto gemäß der Verwendungsfiktion als verwendet gelten.

Die GmbH hatte noch hilfsweise vor dem FG beantragt, die Nachforderung aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Hier weist der BFH zutreffend darauf hin, dass Billigkeitsmaßnahmen nicht dazu bestimmt sind, die Rechtmäßigkeitsprüfung von Steuerbescheiden im Rahmen der dafür vorgesehenen Verfahren (Änderungsantrag, Einspruch, Rechtsmittel) zu unterlaufen.

BFH, Urteil v. 28.1.2015, I R 70/13, veröffentlicht am 3.6.2015