BFH Kommentierung: Kindergeld für einen Zeitsoldaten

Ein Zeitsoldat, der für seine spätere Verwendung im Mannschaftsdienstgrad unterwiesen wird, befindet sich in einer Berufsausbildung.

Hintergrund:

Für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, besteht ein Anspruch auf Kindergeld u.a. dann, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.

K bezog für ihren Sohn (S), der im Juli 2009 seine Schulausbildung beendete, Kindergeld. Im Januar 2010 nahm S am Einstellungsverfahren der Bundeswehr teil. Ab April 2010 wurde er als Soldat auf Zeit im Mannschaftsdienstgrad Schütze für die Dauer von vier Jahren eingestellt. Bereits zu diesem Zeitpunkt war vorgesehen, S als Kraftfahrer zu verwenden. S durchlief die allgemeine Grundausbildung und daran anschließend die Kraftfahrgrundausbildung und wurde ab November 2010 als Kraftfahrer verwendet. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für die Monate August 2009 bis Mai 2010 mangels Vorliegens einer Ausbildung auf. Das Finanzgericht wies die Klage der K ab.

Entscheidung des BFH:

Der BFH entschied, dass die dienstliche Vorbereitung eines Soldaten auf Zeit für seine Verwendung im Mannschaftsdienstgrad eine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist.

Ein Zeitsoldat befindet sich in einer Berufsausbildung, wenn er nicht lediglich im Mannschaftsdienstgrad Dienst leistet, sondern tatsächlich eine Ausbildung erhält (BFH, Urteil v. 30.07.2009, III R 77/07, BFH/NV 2010 S. 28). Dies trifft für S seit dem Beginn seiner Verpflichtungszeit im April 2010 zu, da er solche Ausbildungsabschnitte durchlief, die für seine Verwendung als Kraftfahrer bei der Bundeswehr notwendig waren. Denn sowohl die allgemeine Grundausbildung als auch die daran anschließende Dienstpostenausbildung waren Voraussetzung für seine spätere dienstliche Verwendung.

Auch für die Monate Januar bis März 2010 könnte K ein Anspruch auf Kindergeld zustehen, da S eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen konnte (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG). Denn spätestens durch seine Teilnahme am Einstellungsverfahren der Bundeswehr hatte sich S um einen Ausbildungsplatz bemüht.

Hinweis:

Im Streitfall konnte der BFH nicht endgültig entscheiden, ob K für die Monate Januar bis Mai 2010 das Kindergeld tatsächlich zustand. Denn das Finanzgericht hat – aus seiner Sicht zu Recht – nicht festgestellt, ob die Bezüge des S den nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG maßgeblichen (ggf. anteiligen) Grenzbetrag von 8004 € (im Jahr 2009: 7680 €) überschritten haben. Diese Feststellungen wird das Finanzgericht in einem erneuten Verfahren nachzuholen haben.  Darüber hinaus wird das Finanzgericht auch prüfen müssen, ob K bereits in den Monaten vor Januar 2010 einen Kindergeldanspruch hatte. Das wird davon abhängen, ob und ab wann sich S durch weitere einen Anspruch auf Kindergeld begründende Maßnahmen ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bei der Bundeswehr bemüht hatte.

BFH Urteil vom 10.05.2012 - VI R 72/11
Alle am 25.07.2012 veröffentlichten Entscheidungen im Überblick

Schlagworte zum Thema:  Ausbildung, Kindergeld