Nachträgliche Schuldzinsen auf Immobiliendarlehen

Schuldzinsen auf ein (umgeschuldetes) Anschaffungsdarlehen können auch nach einer nicht steuerbaren Veräußerung der vormals vermieteten Immobilie grundsätzlich weiter als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden.

Hintergrund

Bereits mit seinem Grundsatzurteil v. 20.6.2012, IX R 67/10, hatte der BFH seine frühere Rechtsprechung zur beschränkten Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (vgl. BFH, Urteil v. 25.4.1995 IX R 114/92, BFH/NV 1995 S. 966) aufgegeben und entschieden, dass Schuldzinsen, die auf Verbindlichkeiten entfallen, die der Finanzierung von Anschaffungskosten einer Mietimmobilie dienten, auch nach einer gemäß § 23 EStG steuerbaren Veräußerung als (nachträgliche) Werbungskosten berücksichtigt werden können. Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BFH die Möglichkeit des nachträglichen Schuldzinsenabzugs auch auf solche Fälle erweitert, in denen eine nicht steuerbare Veräußerung einer fremdfinanzierten Immobilie vorangegangen war. Voraussetzung ist in allen Fällen, dass die Darlehensverbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht vollständig getilgt werden konnten.

A  war an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt, die ein Mehrfamilienhaus errichtete und vermietete. Nach Ablauf der Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG veräußerte die GbR das Haus. Der Veräußerungserlös reichte nicht aus, um die für die Errichtung des Hauses aufgenommenen Darlehensverbindlichkeiten vollständig zu tilgen. A nahm deshalb - um das anteilig auf ihn entfallende Restdarlehen zu tilgen – ein neues (Umschuldungs-)Darlehen auf. Die auf dieses Darlehen gezahlten Schuldzinsen machte er in den Folgejahren als (nachträgliche) Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Das Finanzamt lehnte den Werbungskostenabzug mit der Begründung ab, dass die Immobilie nicht steuerbar veräußert worden sei. Das Finanzgericht gab der Klage des A statt.

Entscheidung

Der BFH gab dem A Recht und entschied, dass der Werbungskostenabzug grundsätzlich möglich ist. Denn der erforderliche wirtschaftliche Veranlassungszusammenhang eines Darlehens mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entfällt nicht allein deshalb, weil die mit den Darlehensmitteln angeschaffte Immobilie veräußert wird. Vielmehr setzt sich der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang zwischen dem Darlehen und den  Einkünften – unabhängig von der Veräußerung und mithin auch unabhängig von der Frage der Steuerbarkeit – am Veräußerungspreis fort. Deshalb sind nachträgliche Schuldzinsen, die auf ein solches Darlehen entfallen, grundsätzlich auch nach der Veräußerung weiter als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn und soweit die Darlehensverbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden konnten.

Da auch auf ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen dem Grunde nach durch die frühere Einkünfteerzielung veranlasst sein können (vgl. dazu BFH, Urteil v. 7.7.1998 VIII R 57/96, BFH/NV 1999 S. 594), ist ein nachträglicher Werbungskostenabzug auch bei solchen Schuldzinsen grundsätzlich möglich. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Valuta des Umschuldungsdarlehens nicht über den abzulösenden Restdarlehensbetrag hinausgeht. Darüberhinaus muss die  Umschuldung sich im Rahmen einer marktüblichen Finanzierung bewegen, wozu regelmäßig auch eine vertraglich fixierte Tilgungsvereinbarung gehört.

Nachdem der BFH auf der Grundlage der vom Finanzgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden konnte, ob für das Umschuldungsdarlehen die genannten Voraussetzungen vorgelegen haben, verwies er die Streitsache an das Finanzgericht zurück. Dieses wird nun in einem zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob und ggf. inwieweit das von A aufgenommene Umschuldungsdarlehen nach den vom BFH dargelegten Grundsätzen noch immer der Finanzierung der Herstellungskosten dient.

Hinweis

Nach der Rechtsprechung des BFH ist im Falle der Veräußerung einer Immobilie für den nachträglichen Schuldzinsenabzug stets entscheidend, was mit dem Veräußerungserlös geschieht:

1. Schafft der Steuerpflichtige damit ein neues zur Vermietung bestimmtes Immobilienobjekt an, besteht der wirtschaftliche Veranlassungszusammenhang zwischen dem ursprünglichen Darlehen und den Einkünften in Höhe des verwendeten Erlöses am neuen Objekt fort (vgl. BFH, Urteil v. 8.4.2003 IX R 36/00, BStBl II 2003 S. 706).

2. Schafft der Steuerpflichtige kein neues Objekt und auch keine andere Einkunftsquelle an, kommt es darauf an, ob der Verkaufserlös ausreicht, um das Darlehen abzulösen.

a) Reicht der Erlös aus, endet der wirtschaftliche Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung. Diese Folge tritt unabhängig davon ein, ob der Steuerpflichtige das Darlehen tatsächlich ablöst oder ob er es bestehen lässt und den Verkaufserlös anderweitig verwendet. Denn im letzteren Fall wird der grundsätzlich fortbestehende Veranlassungszusammenhang wegen einer privat motivierten Entscheidung aufgelöst (vgl. BFH, Urteil v. 25.2.2009 IX R 52/07, BFH/NV 2009 S. 1255). Eine anderweitige Verwendung des Verkaufserlöses widerspräche zudem dem sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung, der auch bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung sinngemäß anzuwenden ist (vgl. BFH, Urteil v. 27.11.1984 VIII R 2/81, BSBl II 1985 S. 323).

b) Reicht der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten aus, ist ein nachträglicher Schuldzinsenabzug unter den im vorliegenden Besprechungsurteil dargelegten Voraussetzungen möglich.

Urteil v. 8.4.2014, IX R 45/13, veröffentlicht am 14.5.2014