Patientenrechte: Stärkung der Patientenrechte per Gesetz

Ein neues Gesetz soll Ärztefehler eindämmen und die Patientenrechte stärken. Doch es gibt nach der 1. Lesung im Bundestag am 28.9.2012 reichlich Kritik.

Die Patienten in Deutschland sollen künftig per Gesetz wirksam vor gefährlichen Ärztefehlern geschützt. «Dieses Patientenrechtegesetz wird dazu beitragen, Fehler im ärztlichen Verhalten künftig besser zu vermeiden», sagte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bei der 1. Lesung.

Die Opposition befürchtet, dass das geplante Patientenrechtegesetz beim Schutz der kranken Menschen versagt. SPD-Gesundheitsexpertin Marlies Volkmer: «Dieses Gesetz ist ein Placebo.»

Ziel des Patientenrechtegesetzes

Erstmals sollen die Patientenrechte nach jahrelangen Debatten nun in einem Paragrafenwerk gebündelt werden. Patienten müssen laut dem Entwurf verständlich und umfassend über Behandlungen und Diagnosen informiert werden. Dazu dient ein Behandlungsvertrag. Patientenakten sollen vollständig und sorgfältig sein. Patienten erhalten ein Recht auf Akteneinsicht. Bei groben Fehlern muss der Arzt beweisen, dass der nachgewiesene Fehler nicht den eingetretenen Schaden verursacht hat. Dies war bisher bereits aufgrund von Urteilen gängige Praxis.

Ärztefehler eindämmen

Bahr nannte beispielhaft Fehler, die eingedämmt werden sollen. «Bei Verdacht auf Krebs wird vielleicht das Gewebe nicht zur Untersuchung eingeschickt, ein Röntgenbild wird vielleicht falsch gedeutet.» Im Verdachtsfall bekämen Patienten nun das Recht, ihre Krankenkassen etwa für Gutachten in Anspruch zu nehmen. «Meldungen wie "Falsches Bein amputiert" (...) dürften künftig der Vergangenheit angehören», sagte der Patientenbeauftragte Wolfgang Zöller (CSU).

Bahr verteidigte das Prinzip, dass Ärzte auch künftig nicht generell beweisen müssen, keinen Fehler gemacht zu haben. «Eine generelle Beweislastumkehr würde zu amerikanischen Verhältnissen führen.» Ärzte würden dann jedes Risiko vermeiden. «Wir wollen in Deutschland eine Fehlervermeidungskultur, nicht eine Risikovermeidungskultur.»

Streitpunkt Härtefallfonds

Volkmer entgegnete, die Beweismittel habe zu 100 % der Arzt, doch die Beweislast liege zu 100 % beim Patienten. «Er muss langwierige und teure Prozesse führen.» Wenn etwa im Fall einer Klinikinfektion das Krankenhaus wahrscheinlich die Verantwortung trage, müsse es weitere Beweiserleichterungen für Patienten geben. Zudem solle ein Härtefallfonds eingerichtet werden, aus dem Opfer von Ärztefehlern unterstützt werden könnten.

Dies lehnt die Koalition ab - die Verursacher selbst sollten für Schäden bezahlen.

Vertrauensbasis zwischen Arzt und Patienten vs. wirtschaftliche Interessen des Arztes

Für Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die den Entwurf mit Bahr erarbeitet hatte, ist die Vermeidung eines Gegeneinanders von Ärzten und Patienten zentral: «Wir brauchen doch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten, und auch das wird mit diesem Gesetzentwurf gestärkt.»

Genau dieses Vertrauen sieht die Opposition jedoch stark belastet. Martina Bunge (Linke) sagte: «Für Vertrauen brauchen wir ein Gesundheitssystem (...), das nicht Tummelplatz wirtschaftlicher Interessen ist.» Die Gesetzespläne brächten keine Abhilfe. Kritisch sehen SPD, Linke und Grüne etwa die Selbstzahlerleistungen (IGeL) in den Praxen - auch künftig könnten Ärzte Patienten zu Untersuchungen ohne klaren Nutzen überreden. Bahr machte geltend, dass die Koalition den Versicherten freie Entscheidung zutraue: «Wir gehen vom mündigen Patienten aus.»

Weitere Kritikpunkte

Die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink kritisierte, die Koalition scheue vor verbindlichen Standards für jede Praxis und jedes Krankenhaus zurück - etwa zum Umgang mit Beschwerden. Gernot Kiefer, Vorstand des Krankenkassen-Spitzenverbands, forderte Nachbesserungen bis zur Verabschiedung, etwa für eine leichtere Beweisführung für die Betroffenen bei einem Verdacht auf Fehler.

Insgesamt sterben nach unterschiedlichen Studien mindestens 17.000 Menschen pro Jahr wegen Fehlern und Problemen im Behandlungsverlauf allein in Deutschlands Kliniken.

Die Eckpunkte des Patientenrechtegesetztes:

AUFKLÄRUNG: Patienten müssen verständlich und umfassend über Behandlungen und Diagnosen informiert werden. Dazu muss rechtzeitig vorher ein persönliches Gespräch geführt werden. Dies ist im Behandlungsvertrag geregelt, der im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert wird.

PATIENTENAKTEN: Patientenakten sollen vollständig und sorgfältig sein. Patienten erhalten ein gesetzliches Recht auf Akteneinsicht.

BEWEISFÜHRUNG BEI ÄRZTEFEHLERN: Bei groben Behandlungsfehlern muss der Arzt oder Behandelnde beweisen, dass der nachgewiesene Fehler nicht den eingetretenen Schaden verursacht hat. Dies war bisher lediglich aufgrund von Urteilen gängige Praxis, stand aber nicht im Gesetz.

RECHTE GEGENÜBER DER KRANKENKASSE: Die Versicherten können sich eine Leistung - etwa ein Hörgerät - selbst beschaffen und erhalten die entstandenen Kosten zurück, wenn die Krankenkassen über einen Antrag nicht innerhalb von drei Wochen entscheidet - oder innerhalb von 5 Wochen, wenn von der Kasse ein medizinisches Gutachten eingeholt wird.

FEHLERVERMEIDUNGSKULTUR: Sie soll ausgebaut werden. Kliniken sollen auch ein Beschwerdemanagement haben für die Belange von Patienten.

dpa
Schlagworte zum Thema:  Behandlungsfehler, IGeL