Schutzkleidung auf dem Motorroller als Obliegenheitspflicht?

Keine Fahrt auf dem Zweirad ohne Schutzkleidung? Ist es nötig und zumutbar, dass ein Rollerfahrer Protektoren trägt, um die Folgen eines möglichen Unfalls abzumildern, auch wenn es dazu keine gesetzliche Regelung gibt? Mit dieser Frage hat sich das LG Heidelberg beschäftigt.

Immer häufiger wird zum Thema, wie sicher sich die Fahrer von Zweirädern unterwegs "einpacken" müssen, um bei Unfällen kein Minderung des Schadensersatzes zu riskieren.

VW verletzt Fahrer eines  Leichtkraftrades

Im vorliegenden Fall erwischte es den Fahrer eines Leichtkraftrades  (125 cm3, 90 km/h Maximalgeschwindigkeit). Er kollidierte innerorts mit einem VW Polo, der ihm die Vorfahrt genommen hatte und erlitt Frakturen am Oberschenkel und am Schienbein.

Mitschuld wegen Obliegenheitsverletzung?

Das Gericht musste die Frage klären, ob den Rollerfahrer eine Mitschuld trifft, weil er nicht alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um sich selbst vor Schäden zu schützen (sog. Mitverschulden wegen Obliegenheitsverletzungen).

Keine gesetzliche Pflicht, Motorradschutzkleidung zu tragen

Unstreitig war: Es gibt keine gesetzliche Pflicht, Motorradschutzkleidung zu tragen. § 21a Abs. 2 StVO schreibt lediglich die Pflicht vor, einen Schutzhelm zu tragen. Doch damit allein ist der Rollerfahrer noch nicht aus dem Schneider.

Mitverschulden auch ohne Verstoß gegen Rechtspflicht möglich

Auch wenn es keine gesetzliche Pflicht zum Tragen von Schutzkleidung gibt, schließt das nicht aus, dass es eine Obliegenheit gibt, Schutzkleidung zu tragen. Das Gericht stellte klar: Mitverschulden erfordert im Gegensatz zu einem Verschulden nicht, dass der Geschädigte gegen eine Rechtspflicht verstößt.

Gefahr für sich selbst möglichst gering halten

Ein Kraftfahrer, der sich in den Verkehr begibt, muss alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um eine Gefahr für sich möglichst gering zu halten. Dem Rollerfahrer wurde dennoch kein Mitverschulden angelastet. Argumentation des Gerichts:

  • Ein Mitverschulden lässt sich nicht allein daraus herleiten, dass die unterlassene Maßnahme (Schutzkleidung) geeignet gewesen wäre, den eingetretenen Schaden zu verringern oder zu vermeiden.
  • Diese Betrachtungsweise liefe darauf hinaus, maximale Sicherheitsanforderungen einzufordern.
  • Der Maßstab sei eine vernünftige Verkehrsanschauung.
  • Es begründet noch keine Obliegenheit, Schutzkleidung zu tragen, nur weil sich das Verletzungsrisiko verringert.

Nach Ansicht des Gerichts ist die Zeit derzeit nicht reif, bei Innerortsfahrten von Rollerfahrern eine vollständige Schutzkleidung zu verlangen. Es sei aber durchaus möglich, dass sich künftig ein derartiges Bewusstsein bilde.

(LG Heidelberg, Urteil v. 13.03.2014, 2 O 203/13).

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