Schussgeräusche einer Treibjagd sind "waldtypisch"

Der Veranstalter einer Treibjagd ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die benachbarten Eigentümer und Pächter des Jagdgebiets über eine bevorstehende Jagd zu informieren. Die mit einer Treibjagd verbundenen Schussgeräusche stellen keine potentielle Gefahr dar, sondern sind vielmehr als typische Waldgeräusche hinzunehmen.

Was für den Stadtbewohner der Verkehrslärm ist, sind für die Landbevölkerung die Schussgeräusche in den Wäldern. So jedenfalls bewertete das OLG Hamm die Lärmbeeinträchtigung durch eine Treibjagd und verneinte das Vorliegen einer Verkehrssicherungspflicht für den Jagdveranstalter.

Schüsse versetzten Pferde in Panik

Der Kläger hielt in der Nähe von Ahlen mehrere Pferde auf einer gepachteten Weidefläche. Am 4.10.2004 veranstaltete der Beklagte in einem ca. 100 m von der Weidefläche entfernten Waldgebiet eine Treibjagd. Während der Jagd kam es zu Schussgeräuschen, die nach Auskunft des Klägers drei seiner Pferde derart in Panik versetzten, dass diese sich am Zaun schwer verletzten. Eines der Tiere hätte danach sogar notgetötet werden müssen. Der gesamte Schaden an den Tieren und dem Zaun beliefe sich auf ca. 23.500 EUR, den der Kläger vom Veranstalter der Treibjagd klageweise einforderte.

Kläger wurde über Treibjagd nicht informiert

Nach Auffassung des Klägers hat der Beklagte seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, da er die Pächter und die Eigentümer der benachbarten Gebiete nicht über die bevorstehende Treibjagd und vor allem über die damit verbundenen Schussgeräusche informiert hatte. Diesem Argument konnte jedoch weder das LG Münster noch die Berufungsinstanz folgen. Das OLG Hamm wies jetzt die eingelegte Berufung des Klägers als unbegründet zurück.

Keine Verkehrssicherungspflicht

Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt nach Einschätzung der Richter nicht vor. Der Anspruch auf Schadenersatz nach § 823 Abs. 1 BGB ist damit unbegründet. Grundsätzlich muss zwar derjenige, der eine Gefahrenlage für andere schafft, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Hierbei sind aber nur Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger und umsichtiger Angehöriger des betroffenen Verkehrskreises für ausreichend halten durfte. Nach dem vorliegenden Jagdkonzept war aber für den Veranstalter einer Treibjagd wegen der zu erwartenden Schussgeräusche weder im Vorfeld noch bei der Durchführung der Jagd gegenüber den Anliegern eine Schutzmaßnahme im Sinne einer Informationspflicht zu treffen.

Waldtypische Schussgeräusche

Die OLG-Richter führten dazu weiter aus, dass Schussgeräusche grundsätzlich keine potentielle Gefahr für Rechtsgüter Dritter darstellen. Mit dieser Art von Lärmbeeinträchtigungen müsse in Waldgebieten gerechnet werden. Da die Wirkung von Schussgeräuschen auf Mensch und Tier nicht abschätzbar ist, wäre eine Warnpflicht vor solchen Geräuschen mit einem vernünftigen praktischen Aufwand auch nicht erfüllbar. Nur wenn zu erwarten ist, dass bei der Jagd etwa Schüsse in unmittelbarer Nähe eines Reiters abgegeben werden, könnte dies als potentiell schadensträchtig gewertet werden. Diese besonderen Umstände liegen hier nicht vor.

Jagdkonzept: Keine Schüsse in unmittelbarer Nähe

Die während der Jagd zu erwartenden Schussgeräusche sollten nicht in unmittelbarer Nähe der weidenden Tiere abgegeben werden. Die Weidefläche grenzte nicht direkt an das Jagdgebiet, sondern lag sogar ca. 100 Meter weit davon entfernt. Da Schussgeräusche als solche hier nicht ungewöhnlich sind, bestand keine Verpflichtung des Beklagten, die Anlieger auf die bevorstehende Jagd hinzuweisen.

OLG Hamm, Urteil v. 15.1.2013, I-9 U 84/12

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