Anschnallpflicht in Bussen: 30 Prozent Mitschuld bei Missachtung

„Mir kann ja nichts passieren“, denken viele Busreisende und schnallen sich nicht an. Eine fatale Fehleinschätzung, die nicht nur die Gesundheit kosten kann, sondern auch noch mit einem Mitverschulden bestraft wird. Das gilt auch, wenn die Passagiere nicht zum Anschnallen aufgefordert wurden.

Auch in Bussen gilt Anschnallpflicht. Wer sich nicht daran hält, dem drohen schon bei kleineren Zwischenfällen erhebliche körperliche Schäden und eine Mitschuld obendrein. Diese bittere Erfahrung musste eine 60-jährige Frau machen, die in einem Reisebus nicht angeschnallt auf der Rückbank saß.

Mit etwas zu sportlichen 38 km/h über die Bahngleise

Als der Bus mit etwas zu sportlichen 38 Stundenkilometern die Bahngleise überquerte, wurde die Frau aus ihrem Sitz hochgeschleudert. Beim Zurückfallen brach sie sich einen Lendenwirbel. Seitdem ist sie auf den Rollstuhl angewiesen. Ohne Rollator kann sie sich auch in den eigenen vier Wänden keinen Schritt eigenständig bewegen, so die traurige Bilanz.

Kein Hinweis auf Anschnallpflicht nötig

Doch wer ist trägt die Verantwortung für diese desaströsen Folgen? Die klagende Frau sah bei sich keine Schuld, da die Buspassagiere vor der Fahrt nicht auf die Anschnallpflicht hingewiesen worden waren. Dieser Auffassung schloss sich das Gericht nicht an. Die Anschnallpflicht in Bussen sei generell bekannt, befanden die Richter. Erschwerend komme hinzu, dass die Gurte an den Sitzen sichtbar angebracht waren. Die Mithaftungsquote der Frau werde durch den unterlassenen Gurt-Hinweis nicht gemindert.

Ursächlich zur Verletzung beigetragen

Auch die unbestreitbare Tatsache, dass Buspassagiere sich häufig nicht anschnallen, half der Frau nicht. Die Mithaftung der Frau mit 30 Prozent, so wie dies schon in der Vorinstanz entschieden worden war, sei sachgerecht, entschied das OLG Hamm.

Da die Frau keinen Gurt angelegt hatte, hat sie ursächlich zu ihrer Verletzung beigetragen. Gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB muss sie sich deshalb ein anspruchverkürzendes Mitverschulden entgegenhalten lassen.

Kein üppiges Schmerzensgeld in Deutschland

Die schwer verletzte Frau bekam ein Schmerzensgeld  in Höhe von 100.000 Euro zuerkannt (§§7, 18 StVG, 3 PflVG a.F.). Gefordert hatte sie allerdings 290.000 Euro. Beträge in dieser Größenordnung werden von der Rechtsprechung aber nur bei noch gravierenderen Verletzungen zuerkannt, beispielsweise bei einer Querschnittslähmung, so das Gericht.

Ausgleich für Haushaltsführungsschaden zusätzlich zu Schmerzensgeld

Zusätzlich zu dem Schmerzensgeld erhält die Frau monatlich 481,60 Euro als Ausgleich für den sog. Haushaltsführungsschaden. Der entsteht dadurch, dass sie nicht mehr in der Lage ist, den Haushalt zu führen. Das Gericht setzte pro Woche 20 Stunden Hausarbeit an, die die Frau nicht mehr leisten kann. Bei einem Nettolohn von 8 Euro pro Stunde und 4,3 Wochen pro Monat ergibt sich eine Schadenhöhe von 688 Euro pro Monat, die dann um 30prozentige Mithaftungsquote gekürzt wurde.

(OLG Hamm, Urteil v. 14.05.2012, I-6 U 187/11).