Schmerzensgeld für Jörg Kachelmann

Der späte Triumph des Jörg Kachelmann über den Springer-Verlag: 635.000 Euro Schmerzensgeld! Zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in dieser Höhe wurde bisher kein anderer Medien-Verlag in Deutschland verdonnert.

Zur Erinnerung: Jörg Kachelmann gilt als der Erfinder der Wettershow. Er war der erste „Wetterfrosch“ in Deutschland, der die Wettervorhersage von der trockenen Nachrichtenform befreit hat und die Wettervorhersage als Moderator mit verschiedenen Informationen rund um Wetterphänomene in eine unterhaltsame Form verpackte. Die Erfolgsgeschichte Kachelmann nahm ein jähes Ende, als Kachelmann im März 2010 unter großem Medientamtam wegen des Verdachts der Vergewaltigung in Haft gekommen wurde. Im Mai 2011 wurde er in Ermangelung von Beweisen in einem aufsehenerregenden „Freispruch zweiter Klasse“ vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen (LG Mannheim, Urteil v. 31.5.2011, 5 KLs 404 Js 3608/16). Nicht zuletzt wegen der während des Prozesses bekannt gewordenen Details über sein Privatleben konnte Kachelmann beruflich nicht mehr an seine früheren Erfolge anknüpfen. In der Schweiz ist er weiterhin als Wettermoderator tätig.

Das Medienopfer Kachelmann

Kachelmann sieht sich als Opfer falscher Beschuldigungen seiner ehemaligen Freundin und vor allem als Opfer unfairer Medienberichterstattung. Verleumdet und gedemütigt von der Presse hat er eine ganze Reihe von Medienunternehmen verklagt, unter anderem den Springer-Verlag (BGH, Urteil v. 19.3.2013, VI ZR 93/12), „Hubert Burda Media“ und die Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer. Von Burda hatte er 1 Million Euro Schmerzensgeld gefordert, sich dann aber mit dem Verlag unter Vereinbarung einer Geheimhaltungsklausel geeinigt. Einige Prozesse wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hat der Wettermoderator gewonnen. Eine Klage gegen Alice Schwarzer wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts entschied das OLG Köln in einem viel beachteten Urteil zu seinen Gunsten (OLG Köln, Urteil v. 27.5.2014, 15 U 3/14).

Das Persönlichkeitsbild Kachelmann wurde irreversibel geschädigt

In dem jetzigen Verfahren gegen Bild  erkannte das Gericht auf insgesamt 38 Fälle von schwerwiegenden Verletzungen des Persönlichkeitsrechts. Die Bild GmbH & Co. KG muss nach dem Urteil 300.000 Euro Schmerzensgeld an Kachelmann zahlen, die Axel Springer SE 335.000 Euro. Die Veröffentlichungen des SMS-und E-Mail-Verkehrs Kachelmanns, die Veröffentlichung von Fotos, unter anderem beim Hofgang während der Untersuchungshaft, die Preisgabe von Informationen über sein Sexualleben sah das Gericht als schmerzensgeldrechtlich relevante Verletzungstatbestände an. Ein rechtliches Informationsinteresse der Allgemeinheit an solch intimen Informationen bestehe nicht. Durch die Berichterstattung sei es im gesamten Medienbereich zu ungerechtfertigten Vorverurteilungen Kachelmanns gekommen. Noch heute erscheine Kachelmann in weiten Teilen der Öffentlichkeit als ein „frauenverachtender und gewaltbereiter Mensch“.

Bild hält die Höhe des Schmerzensgeldes für irrwitzig

Trotz des objektiven Erfolgs ist Kachelmann mit dem Urteil nicht zufrieden. 2,25 Millionen Euro Entschädigung hatte er vom Springer-Konzern insgesamt gefordert. Der Rechtsanwalt von Kachelmann, Ralf Höcker, ist der Auffassung, sein Mandant habe „die schlimmste Hetzkampagne der deutschen Pressegeschichte“ über sich ergehen lassen müssen. Deshalb genügt ihm die ausgeurteilte Summe nicht. Er und sein Mandant wollen daher Berufung gegen das Urteil einlegen. Das gleiche wollen auch Bild und der Springer-Verlag, die ebenfalls ankündigten, in die Rechtsmittelinstanz zu gehen. Es liege „weder im Interesse einer freien Presse noch der Öffentlichkeit, dass Medien irrwitzige Geldentschädigungen zahlen müssten, wenn sie über aufsehenerregende Strafprozesse gegen bekannte Persönlichkeiten berichten“.

Persönlichkeitsschutzverletzung allenfalls fahrlässig

Die Online-Ausgabe von Bild kritisierte das Urteil insoweit, als das Gericht den Vorwurf erhoben habe, „subjektiv rücksichtslos das Persönlichkeitsrecht Kachelmanns verletzt“ zu haben und hinsichtlich „der rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzungen vorsätzlich und mit Schädigungsabsicht gehandelt“ zu haben. Bild ist der Auffassung, dass selbst dann, wenn objektiv durch die Presseberichterstattung die Grenzen des Persönlichkeitsschutzes überschritten worden sein sollten, allenfalls der Vorwurf gerechtfertigt wäre, auf einem “außerordentlich schwierigen Gebiet der Abwägung der widerstreitenden Grundpositionen die rechtliche Grenzziehung fahrlässig verfehlt zu haben“.

Höchstes Schmerzensgeld bisher für schwedische Prinzessin

Bild bemängelt auch Wertungswidersprüche zum Fall der schwedischen Prinzessin Madeleine, in dem das bisher höchste Schmerzensgeld für eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch die Medien in Deutschland ausgeurteilt wurde. Das OLG Hamburg hatte der Prinzessin im Jahre 2009 wegen unrichtiger Medienberichterstattungen ein Schmerzensgeld von 400.000 Euro zugesprochen (OLG Hamburg, Urteil v. 30.7.2009, 7 U 4/08). Im Fall der Prinzessin hatten Magazine der „Klambt-Mediengruppe“ (u.a. „Bild der Frau“) über mehrere Jahre hinweg in insgesamt 52 Fotomontagen und einer Reihe von objektiv unwahren Berichten über angeblich 19 Hochzeiten, vier Schwangerschaften, über eine angebliche Alkoholsucht das Persönlichkeitsrecht der Prinzessin nach der Wertung des OLG vorsätzlich, massiv und rücksichtslos über einen ungeheuren Zeitraum in unvorstellbarer Weise beschädigt. Nach Auffassung des Springer-Verlages lässt der Vergleich beider Fälle nicht annähernd ähnlich schwerwiegende Verstöße des Springer-Verlags im Kachelmann-Fall erkennen. Hier bestehe ein erheblicher Wertungswiderspruch. Nach Auffassung des Springer Verlages ist die Höhe des nun ausgeurteilten Schmerzensgeldes des LG maßlos und völlig unverhältnismäßig. Damit dürfte das OLG Köln zum nächsten Austragungsort der Auseinandersetzung werden. 

(LG Köln, Urteil v. 30.9.2015, 28 O 2/14 u. 28 O 7/14)