Pfändungsschutz für Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit

Die Einnahmen eines Rentners aus einer selbstständigen Tätigkeit, die er zur Aufbesserung seiner Rente ausübt, können als Mehrarbeitsvergütung bis zur Hälfte pfandfrei bleiben.

Der BGH hat ein Grundsatzurteil zum Pfändungsschutz nach § 850 a Nr. 1 ZPO getroffen. Nach dieser Regelung ist eine Vergütung für Mehrarbeit zur Hälfte unpfändbar. Dem Schuldner soll dadurch ein Anreiz gegeben werden, Mehrarbeit zu leisten, damit ein höheres Einkommen zu Gunsten der Gläubiger zur Verfügung steht. Ob es sich um Mehrarbeit handelt, richtet sich nach der normalen Arbeitszeit des Betriebes bzw. die im Tarif-, Arbeitsvertrag oder in der Dienstordnung festgelegte Vollbeschäftigungszeit.

Mehrarbeit bei Selbständigen?

In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es jedoch nicht um einen Arbeitnehmer, sondern um einen Rentner, der zur Aufbesserung seiner Rente selbstständig als Unternehmensberater tätig war. Auf Selbstständige ist die Vorschrift des § 850 a Nr. 1 ZPO grundsätzlich nicht anwendbar, da sich deren üblicher Arbeitsumfang nicht bestimmen lässt und daher kaum feststellbar ist, wann von Mehrarbeit auszugehen ist.

Der BGH hat jedoch im Falle eines Rentners eine Ausnahme zugelassen und darauf abgestellt, dass der Rentner nicht mehr erwerbspflichtig ist. Im konkreten Fall hatte der Schuldner Renteneinnahmen in Höhe von rund 1.150,00 €, durch welche er seinen Unterhaltsbedarf decken konnte. Der BGH ging daher davon aus, dass die auf selbstständiger Basis ausgeübte Tätigkeit als Unternehmensberater überobligatorisch ist und damit als Mehrarbeit im Sinne des § 850 a Nr. 1 ZPO zu qualifizieren ist. Die daraus erzielte Vergütung kann bis zur Hälfte pfandfrei gestellt werden.

Antragstellung erforderlich!

Der selbständig tätige Schuldner muss aber – da es sich nicht um Arbeitseikommen im Sinne des § 850 ZPO handelt - einen Antrag nach § 850 i ZPO stellen. Danach ist ihm von seinen Einkünften so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt benötigt, maximal aber so viel, wie ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde.

Das Vollstreckungsgericht setzt also den dem Schuldner zu belassenen Betrag unter Berücksichtigung der Regelungen in § 850 a ff. ZPO individuell fest.

Kein umfassender Pfändungsschutz

Der Pfändungsschutz greift bei einem Antrag nach § 850 i ZPO also nicht in vollem Umfang. Vielmehr muss das Vollstreckungsgericht die Belange von Schuldner und Gläubiger abwägen und eine wertende Entscheidung treffen, inwieweit das Einkommen pfandfrei zu belassen ist.

Unterschiede zwischen Einzel- und Gesamtvollstreckung

In der Einzelzwangsvollstreckung kann der Schuldner einen Antrag nach § 850 i ZPO erst dann stellen, wenn eine Forderungspfändung durch den Gläubiger veranlasst worden ist.

Anders verhält es sich im Gesamtvollstreckungsverfahren, das dem Urteil des BGH zugrunde lag. Der Schuldner hatte hier einen eigenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt. Nach Insolvenzeröffnung fallen grundsätzlich alle Einnahmen des Schuldners nach § 35 Abs. 1 InsO in die Masse, die er aufgrund einer nicht freigegebenen selbstständigen Tätigkeit erzielt.

Einen Antrag auf Pfändungsschutz für seine Einkünfte kann der Insolvenzschuldner bereits stellen, bevor die Ansprüche aus der selbstständigen Tätigkeit fällig sind, denn er hat ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, welcher Teil seiner zukünftigen Einnahmen pfandfrei ist und damit nicht in die Masse fällt.

(BGH, Beschluss v. 26.06.2014, IX ZB 87/13).


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