Verfahren und Rechtsmittel für Befangenheitsanträge / Reformpläne

Die Zulässigkeit des Verfahrens und die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen ein ablehnendes Befangenheitsgesuch einzulegen, divergiert in den einzelnen Prozessordnungen. Der Befangenheitsantrag kann generell nicht auf ein ganzes Gericht oder einen Spruchkörper gerichtet werden. Der Anwalt selbst hat kein Ablehnungsrecht – nur sein Mandant.

Verfahren im Zivilprozess

Nach § 45 ZPO entscheidet das Gericht über das Ablehnungsgesuch, dem der Abgelehnte angehört – und zwar ohne dessen Mitwirkung.

  • Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter des Amtsgerichts, § 45 Abs. 2 ZPO.
  • Das gilt allerdings nicht, wenn der abgelehnte Richter selbst das Ablehnungsgesuch für begründet hält. Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ergeht nach § 46 ZPO durch Beschluss.

Gegen den Beschluss, durch den das Gesuch für unbegründet erklärt wird, ist nach § 46 Abs. 2 Hs. 2 ZPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§ 567 ZPO) möglich.

Hinweis: Gemäß § 47 Abs. 2 ZPO kann ein Verhandlungstermin trotz Ablehnungsgesuchs unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden, wenn die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern würde. Im Fall der Begründetheit des Ablehnungsgesuchs ist der zeitlich nach der Stellung des Ablehnungsantrages liegende Teil der Verhandlung dann allerdings zu wiederholen.

Ablehnungsgründe sind unverzüglich anzubringen

Zum 1.1.2020 wurde zum Zwecke der Beschleunigung des Zivilprozesses § 44 Abs. 4 ZPO um einen Satz 2 ergänzt, wonach Ablehnungsgesuche im Zivilprozess unverzüglich nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes anzubringen sind. Damit soll verhindert werden, dass Ablehnungsgesuche aus taktischen Gründen erst dann gestellt werden, wenn der Verlauf des Verfahrens für die betreffende Partei eine ungünstige Wendung nimmt.

Besonderheit im Arbeits- und Verwaltungsgerichtsprozess

Im Arbeits- und Verwaltungsgerichtsprozess ist ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen über Ablehnungsgesuche kategorisch ausgeschlossen (§ 49 Abs. 3 ArbGG, § 146 Abs. 2 VwGO). Dies ist laut BAG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BAG, Beschluss v. 27.7.2008, 3 AZB 26/08).

Besonderheiten im Strafprozess

Im Strafprozess ist auf den richtigen Zeitpunkt des Ablehnungsgesuchs zu achten. Nach § 25 Abs. 1 S. 1 StPO muss die Ablehnung bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse erfolgen, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn des Vortrages des Berichterstatters. Ist die Besetzung des Gerichts schon vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden, muss das Ablehnungsgesuch unverzüglich angebracht werden, § 25 Abs. 1 Satz 2 StPO.

Nach diesem Zeitpunkt muss die Ablehnung wegen später eingetretener oder bekannt gewordener Ablehnungsgründe  unverzüglich erfolgen, sobald die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, dem Ablehnungsberechtigten bekannt geworden sind.

Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist die Ablehnung nicht mehr zulässig, § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO.

Schriftliche Begründung

Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 StPO kann das Gericht dem Antragsteller aufgeben, ein in der Hauptverhandlung angebrachtes Ablehnungsversuch innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich zu begründen, wovon in der Praxis häufig in der Weise Gebrauch gemacht wird, dass der Anwalt die Ablehnungsgründe sofort in der Hauptverhandlung handschriftlich niederlegen muss.

Unzulässige Ablehnungsgesuche 

§ 26 a StPO hält für das Gericht mannigfache Gründe bereit, ein Ablehnungsgesuch als unzulässig zu verwerfen, so wenn

  • die Ablehnung verspätet ist,
  • keine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt ist oder
  • durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt werden soll oder
  • mit dem Ablehnungsgesuch verfahrensfremde Ziele verfolgt werden.

Hinweis: Über diese Verwerfungsgründe entscheidet das Gericht unter Einschluss des abgelehnten Richters, § 26 a Abs. 2 StPO. Wird die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen, so entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters, § 27 Abs. 1 StPO.

Zudem ist im Strafverfahren die Anfechtung einer Ablehnungsentscheidung gegen einen erkennenden Richter nach § 28 Abs. 2 S. 2 StPO nur zusammen mit dem Urteil möglich,  ansonsten ist der Beschluss, mit dem die Ablehnung als unbegründet zurückgewiesen wird, mit der sofortigen Beschwerde angreifbar.

Wichtig: Die Befangenheitsvorschriften gelten gemäß § 31 StPO für Schöffen und Urkundsbeamte der Geschäftsstelle entsprechend.

Ablehnungsgesuch stoppt den Strafprozess nicht

Zur Vermeidung vermeidbarer Verzögerungen im Strafprozess ist zum 13.12.2019 eine Reform des § 29 StPO in Kraft getreten. Hiernach werden - anders als vor der Reform - Hauptverhandlungen durch ein Ablehnungsgesuch nicht unterbrochen, sondern gehen bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters weiter. Entscheidungen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung ergehen können, dürfen nur dann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters getroffen werden, wenn sie keinen Aufschub gestatten, § 29 Abs. 2 StPO. Über die Ablehnung ist längstens innerhalb von 2 Wochen und stets vor Urteilsverkündung zu entscheiden, § 29 Abs. 3 StPO.

Ist der Befangenheitsantrag erfolgreich, müssen sämtliche nach Stellung des Antrages durchgeführten Verhandlungstage wiederholt werden.

Kritik des DAV am Befangenheitsrecht

Der DAV sieht die 2019/2020 eingeführten Änderungen des Befangenheitsrechts nach wie vor kritisch. Insbesondere die weitere Mitwirkung des vom Angeklagten als befangen abgelehnten Richters am Strafverfahren bis zur Entscheidung über den Befangenheitsantrag, beinhalte für den Angeklagten die Zumutung, dass ein Richter weiter Einfluss die Beweisaufnahme und damit auf den Gang der Hauptverhandlung hat, den der Angeklagte möglicherweise zu Recht für voreingenommen hält. Die zweiwöchige Höchstfrist für die Entscheidung über den Befangenheitsantrag lasse eine ganze Reihe von Verhandlungsterminen zu, in denen wichtige Weichen für den weiteren Verfahrensgang unter Beteiligung eines möglicherweise befangenen Richters gestellt werden. Selbst eine gegebenenfalls erforderliche Wiederholung dieses Verfahrensabschnitts im Falle des Erfolgs des Ablehnungsantrages könne diesen Ablauf nicht komplett ungeschehen machen. Trotz dieser Kritik von Seiten der Anwaltschaft ist eine Reform der Reform wohl in naher Zukunft nicht zu erwarten.


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