Exhumierung zur Feststellung der Vaterschaft ist durchsetzbar

Ist eine Feststellung der Vaterschaft zu Lebzeiten des potentiellen Vaters nicht mehr möglich, kann zur Erstellung eines Abstammungsgutachten die Leiche auch gegen den Willen der Erben exhumiert werden. Das Interesse des Kindes an seiner Herkunft überwiege in diesen Fällen das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen, so der BGH.

Die Ausgrabung eines möglichen Vaters zwecks Vaterschaftsfeststellung ist ein massiver Schritt, trotzdem kann sie rechtlich durchsetzbar sein.

Ehelicher Sohn verweigert eine Ausgrabung des väterlichen Leichnams 

Die 1944 geborene Antragstellerin begehrte die Feststellung, dass der 2011 Verstorbene ihr Vater sei. Das Amtsgericht Dresden hatte die Anträge abgelehnt, die Leiche zu exhumieren und Gewebeproben zu entnehmen.

Uneheliche Tochter setzt sich durch

Auf ihre Beschwerde hin ordnete das OLG Dresden die Exhumierung zur Erstellung eines DNA-Abstammungsgutachten an. Der eheliche Sohn des Verstorbenen, welcher am Verfahren beteiligt war, hatte die Einwilligung zur Exhumierung und Gewebeprobe verweigert. Mit einem Zwischenbeschluss erklärte das OLG die Weigerung für unberechtigt. Dagegen legte der Sohn Rechtsbeschwerde ein.

Entsprechende Untersuchungen sind zur Feststellung der Abstammung zu dulden

Der BGH hat die Beschwerde des Sohnes als unbegründet zurückgewiesen. Zwar stehe dem Sohn als nächsten Angehörigen das Recht der Totenfürsorge zu.

  • Die Antragstellerin habe die Voraussetzungen für eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung glaubhaft dargelegt.
  • Die DNA-Untersuchung sei auch notwendig, da sonstige Mittel zur Feststellung der Vaterschaft nicht ausreichten.
  • Grundsätzlich hat nach § 178 Abs. 1 FamFG jede Person, soweit es für die Feststellung der Abstammung erforderlich ist, Untersuchungen, insbesondere Blutproben zu dulden, es sei denn, dass ihr diese Untersuchung nicht zugemutet werden kann.
  • Auf Verstorbene sei diese Vorschrift entsprechend anzuwenden, so der BGH.  

Dem Recht des Kindes gebührt grundsätzlich Vorrang

Die Begutachtung und Exhumierung sei auch zumutbar. Das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen trete regelmäßig hinter dem Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zurück.

  • Die Kenntnis und die Zuordnung des eigenen Vaters sei von wesentlicher Bedeutung für die Entfaltung der Persönlichkeit.
  • Die  Unmöglichkeit, die eigene Abstammung festzustellen, kann daher im Einzelfall erheblich belasten und verunsichern.

Unter Beachtung dieser besonderen Bedeutung des verfassungsrechtlich geschützten Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung führe eine im legitimen Interesse des Kindes durchgeführten Untersuchung und Exhumierung nicht zu einem Eingriff des Art. 1 Abs. 1 GG der postmortal geschützten Menschenwürde.

Anspruch auch bei vorwiegendem Interesse an der Erbschaft

Der BGH stellte ebenfalls klar, dass das Interesse an der eigenen Herkunft nicht deshalb geringer zu bewerten sei, wenn gleichzeitig auch erbrechtliche Interessen verfolgt werden. Zu Recht habe daher die Vorinstanz festgestellt, dass die Teilhabe an dem väterlichen Erbe ebenfalls ein legitimes Interesse darstelle.

 (BGH, Beschluss v. 29.10.2014, XII ZB 20/14).

Vgl. zu dem Thema auch:

Postmortale Rechte

Pflicht zur Totenfürsorge