Wenn Sie sich als lärmgeplagter Nachbar einer Kirche gegen die aus Ihrer Sicht unerträglichen Lärmbelästigungen durch kirchliches Glockengeläut zur Wehr setzen wollen, tun Sie gut daran, sich erst einmal darüber klarzuwerden, was Sie stört: Entweder das sakrale Glockengeläut (zu liturgischen bzw. gottesdienstlichen Zwecken) oder das nicht sakrale Glockengeläut (als Zeitangabe mit Stundenschlag).

Wichtig ist das deshalb, weil Kirchenglocken ein juristisches Doppelleben haben:

  • Für Klagen gegen das sakrale Glockengeläut sind die Verwaltungsgerichte zuständig,
  • über Klagen gegen das nicht sakrale Glockengeläut entscheiden die Zivilgerichte,

wie das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat.[1]

Uhr-/Stundenschlag

Aussichtsreich erscheint nur ein Vorgehen gegen das Zeitschlagen der Kirchenglocken. Dieses Glockengeläut hat nach der Rechtsprechung seine Funktion als Zeitangabe unter den heutigen Lebensbedingungen praktisch verloren, sodass es bei Überschreiten der Lärmrichtwerte der TA Lärm oder der VDI-Richtlinie 2058, Blatt 1 "Arbeitslärm in der Nachbarschaft" (vgl. hierzu Kap. 2.4.2) während der Nachtzeit (22.00 bis 6.00 Uhr) nach TA Lärm) verzichtbar ist.[2] Werden die Immissionsrichtwerte überschritten, kann ein Unterlassungsanspruch bestehen.[3]

Liturgisches Läuten

Ein Vorgehen gegen das sakrale Glockengeläut ist hingegen wenig erfolgversprechend, weil für dieses nach der Rechtsprechung wegen der grundgesetzlich geschützten Freiheit der Religionsausübung die allgemeinen Gesetze nur sehr eingeschränkt gelten.[4] So stellt etwa das dreimal tägliche Angelusläuten im herkömmlichen Rahmen keine erhebliche Lärmbelästigung der Nachbarschaft dar.[5] Gleiches gilt nach der Rechtsprechung für das liturgische Glockengeläut zum Gottesdienst am Sonntag (um 10.00 und 10.30 Uhr).[6] Auch geringfügige Überschreitungen der Grenzwerte müssen hingenommen werden.[7]

[3] LG Heilbronn, Urteil v. 19.11.2007, 6 O 252/06; LG Aschaffenburg, 26.8.1999, 2 S 391/98, NZM 2000, 733.
[6] VG Würzburg, Beschluss v. 14.10.1997, W 6 E 97.1217, NVwZ 1999, 799; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil v. 13.12.2010, 11 K 1705/10; VG Hannover, Urteil v. 9.11.2005, 12 A 389/04.
[7] VG Arnsberg, Urteil v. 30.8.2007, 7 K 2561/06.

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