Rz. 2

Die Willensbildung des Betriebsrats erfolgt ausschließlich, indem der Betriebsrat einen Beschluss fasst. Die Übertragung der Willensbildung auf den Vorsitzenden oder andere Personen ist nicht möglich; soweit anstelle des Betriebsrats Ausschüsse tätig werden sollen, ist § 27 BetrVG zu beachten. Nur im Rahmen der vom Betriebsrat gefassten Beschlüsse kann er durch seinen Vorsitzenden vertreten werden (§ 26 Abs. 3 BetrVG).

 

Rz. 3

Weiterhin kann der Betriebsrat seine Beschlüsse nur im Rahmen einer nach § 29 Abs. 2 BetrVG ordnungsgemäß einberufenen Sitzung fassen (siehe § 29 Rz. 2 ff.).

Die Beschlussfassung im Rahmen von Besprechungen mit dem Arbeitgeber scheidet daher aus; zulässig ist es, im Anschluss daran – eine den Erfordernissen des § 29 Abs. 2 BetrVG entsprechende Einladung vorausgesetzt – eine Betriebsratssitzung abzuhalten.

Für die Beschlussfassung ist es – vorbehaltlich der nach § 30 Abs. 2 BetrVG zulässigen virtuellen Sitzung – erforderlich, dass sich die Betriebsratsmitglieder körperlich in einem Raum versammeln. Daher scheiden andere Formen der Entscheidungsfindung wie

  • Umlaufverfahren,
  • Umfrage des Vorsitzenden bei den Betriebsratsmitgliedern,
  • Telefonkonferenzen oder
  • Zuschaltung eines verhinderten Betriebsratsmitgliedes per Telekommunikationseinrichtungen in die Sitzung

für eine Beschlussfassung aus, sofern das nicht nach § 30 Abs. 2 BetrVG ausnahmsweise erlaubt ist.

Ob in einer Videokonferenz eine ordnungsgemäße Beschlussfassung stattfinden kann, war umstritten. Teilweise wird dies – jedenfalls bei zwingenden Notwendigkeiten – für zulässig erachtet.[1]

Die überwiegende Auffassung in der Fachliteratur sah sie jedoch weiterhin als unzulässig an. Zum einen wird eingewandt, es sei nicht sichergestellt, dass der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit gewahrt sei und dementsprechend kein unbefugter Dritter Kenntnis erhält.[2] Entscheidender dürfte darüber hinaus aber sein, dass das Gesetz im Gegensatz zu § 108 Abs. 4 AktG für die Aufsichtsratsbeschlüsse dieses Verfahren gerade nicht vorsieht und zudem §§ 33 BetrVG davon spricht, dass Beschlüsse mit den Stimmen der "anwesenden" Betriebsratsmitglieder gefasst werden. Zudem hat der Gesetzgeber die Zulässigkeit von Videokonferenzen in § 41a EBRG zugelassen, woraus auch wiederum geschlossen wird, dass die Form der Entscheidungsfindung für Beschlüsse des Betriebsrats gerade nicht zulässig ist.

Bisher ist vor allem der Gewerkschaftsseite Änderungen des § 33 BetrVG entgegengetreten worden, da die Befürchtung besteht, dass die Betriebsräte dann aus Kostengründen gezwungen werden, überwiegend Videokonferenzen abzuhalten. Die COVID-19-Pandemie, die auch viele Betriebsräte in ihrer Arbeit behindert, hat zu keinem generellen Umdenken des Gesetzgebers geführt. Der Gesetzgeber hatte mit dem ab 1. März 2020 bis zum 30. Juni 2021 geltenden § 129 BetrVG nur befristet die Möglichkeit zugelassen, dass die Betriebsratssitzung einschließlich der Beschlussfassung oder die Teilnahme einzelner Betriebsratsmitglieder an einer Präsenzsitzung per Video- oder Telefonkonferenz stattfinden kann. Durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz[3] besteht seit 18.6.2021 nunmehr unter in § 30 Abs. 2 BetrVG genannten Voraussetzungen dauerhaft die Möglichkeit, Beschlüsse auch in Telefon- oder Videokonferenzen zu treffen. Dazu regelt § 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nunmehr auch, dass virtuell teilnehmende Betriebsratsmitglieder als anwesend gelten.[4]

Außerhalb des § 30 Abs. 2 BetrVG und der dort geregelten Möglichkeit der Sitzungsteilnahme per Telefon- oder Videokonferenz kann § 33 BetrVG auch nicht durch eine Regelungsabrede zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat außer Kraft gesetzt oder modifiziert werden, nach der die Beschlussfassung per Videokonferenz (ggf. nur vorübergehend) zulässig sein soll. Arbeitgeber und Betriebsrat können zwar informell vereinbaren, dass der Arbeitgeber den Beschluss nicht aus formellen Gründen angreift, gleichwohl können sie das Arbeitsgericht im Falle eines Rechtsstreits nicht daran hindern, den Beschluss, der per Videokonferenz getroffen wurde, für unwirksam zu halten. Ohne Gesetzesänderung verbleibt ein erhebliches Risiko, dass nur der Gesetzgeber aus der Welt schaffen kann. Dieses Risiko trägt auch der Arbeitgeber. Wird bspw. der Beschluss, der Einführung der Kurzarbeit zuzustimmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) in einer außerhalb der Regelung des § 30 Abs. 2 BetrVG unzulässigen Videokonferenz getroffen, kann jeder Arbeitnehmer geltend machen, die Zustimmung des Betriebsrats sei nicht wirksam erteilt und daher die Anordnung der Kurzarbeit unwirksam und die gesamte Vergütung geltend machen. Sollte die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung mit dem Argument angegriffen werden, der Beschluss des Betriebsrats sei aus formellen Gründen unwirksam, kann der Betriebsrat durch einen erneuten Beschluss den vorherigen fehlerhaften Beschluss heilen. Inwieweit das auch rückwirkend möglich ist, ist nicht endgültig geklärt.[5]

Innerhalb des Betriebsrats kann eine Vorberatung per Video- oder Tele...

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