Rekrutierung: Einige Recruiting-Probleme für Ausreden

Den richtigen Kandidaten über die besten Kanäle anzusprechen: Das ist eigentlich die Grundlage im Recruiting. Doch eine Studie von Hays zeigt, dass hier einiges schief läuft. Warum das so ist und wo die echten Herausforderungen liegen, erklären zwei gestandene Personaler.

Von 166 befragten Personalentscheidern in der Studie "Recruitment-Prozesse auf dem Prüfstand" von der Hays AG mussten sich 45 Prozent eingestehen, keine zielführende Recruitment-Strategie zu besitzen. Die befragten Personaler führen in der Erhebung an, sie seien mit der großen Bewerberflut, den engen personellen Kapazitäten sowie der Auswahl der richtigen Kandidaten und Kanäle schlicht überfordert.

Robindro Ullah: Den richtigen Kanal zu finden, ist reine Fleißarbeit

Der Head of Employer Branding and HR Communications bei Voith in Heidenheim, Robindro Ullah, wertet das als Ausrede: "Das Herausfinden der richtigen Ansprachekanäle sehe ich nicht als Herausforderung an. Es ist Fleißarbeit und gehört für mich zu den grundsätzlichen Hausaufgaben, die die Recruiter zu tun haben. Auch das Argument der  personellen Engpässe sehe ich persönlich ebenfalls etwas anders. Viele Kapazitäten im HR-Bereich sind meiner Meinung nach einfach falsch verteilt.  Das heißt, wir haben es hier mit der Herausforderung der Verteilung, nicht aber mit Engpässen im Sinne von Unterbesetzung zu tun."

Marc-Stefan Brodbeck: Die Profilerstellung ist der erste Schritt im Recruitment

Für Marc-Stefan Brodbeck, Vice President Recruiting and Talent Acquisition bei der Deutschen Telekom, fangen die Probleme schon früher an: "Bereits die Profildefinition ist eine große Herausforderung, denn die Kernfrage ist doch, wer oder welches Profil gesucht wird. Hierauf muss man erst einmal sein Augenmerk legen", erklärt der Manager, der im Inlandskonzern für gut 125.000 Mitarbeiter zuständig ist. "Je genauer der Recruiter weiß, wer gesucht wird, desto größer ist die Chance, den richtigen Kandidaten frühzeitig zu erkennen. Erst dann erfolgt die Auswahl der richtigen Medienkanäle." Schließlich könne nicht jedes Profil über jeden Kanal angesprochen werden. "Manche Kandidaten können wir auch heute noch über den Printmedien gewinnen, andere fast nur über die sozialen Netzwerke", erklärt er. Dabei sei auch die richtige Ansprache für jeden Kanal nicht zu unterschätzen.

Ullah: Besser nur ein passender Kandidat als viele unpassende

Also sollte Klasse statt Masse im Vordergrund stehen. Das bestätigt auch Robindro Ullah: "Betrachten wir die Stellenanzeige von morgen.  Diese sollte idealerweise nur eine einzige Person ansprechen, und zwar genau die, die auf die Stelle passt. Dadurch habe ich natürlich eine extrem hohe Individualisierung in der Erstansprache. Aber man sucht ja aktiv nach einer bestimmten Person. Andererseits erlebe ich immer noch Unternehmen, die sagen: 'Je mehr Bewerber wir generieren, desto mehr Auswahl haben wir'. Die zentrale Frage ist doch, wie viele Bewerbungen brauchen wir für eine Stelle? Eigentlich doch nur eine."

Brodbeck: Individuelle Betreuung des Kandidaten ist wichtig

Wer mehrere Kandidaten zur Auswahl hat, muss trotzdem weiterhin auf die individuelle Betreuung setzen. Das wird auch im Team von Marc-Stefan Brodbeck groß geschrieben: "Wenn ein Kandidat in der engeren Auswahl ist, gibt es einen Recruiter, der quasi Partner des Bewerbers und auch der Führungskraft ist, er steuert bis zum Schluss den Recruiting-Prozess. Er ist die Kontaktperson des Kandidaten und ist namentlich sowie mit Foto, etc. bekannt. Die Bewerber können  jederzeit mit ihm Kontakt aufnehmen. Er trifft die Vorauswahl, gibt die passenden Kandidaten an die Fachbereiche weiter, begleitet sie durch alle Qualifizierungsschritte, steht den Kandidaten also bis zum konkreten Vertragsangebot persönlich zur Seite."

Eine derart persönliche Betreuung zahlt in jedem Fall auf die Arbeitgebermarke. Die sollte man während des Rekrutierungsprozesses auch keinesfalls aus den Augen verlieren, wie Brodbeck betont: "Egal wie Sie rekrutieren, die Bewerberansprache zahlt immer auf das Employer Branding ein, positiv wie negativ. Denn es ist ja Teil der gesamten Unternehmenskultur. Sie muss sich im gesamten Rekrutierungsprozess widerspiegeln. Aufgesetzte Facetten bringen da gar nichts. Denn spätestens am ersten Arbeitstag fällt dem Bewerber auf, dass das Versprochene nicht gelebt wird und er denkt: Wo bin ich hier gelandet?"

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