Der Heimvorteil im Unternehmen

Fußball und HR: Hier gibt es viele Parallelen. Die Redaktion des Personalmagazins schaut die WM durch die HR-Brille an und berichtet aktuell. Heute: Wie sehr der Heimvorteil wirklich motiviert.

Nun ist es also so gekommen, wie es sich viele Fußballfans gewünscht haben: Deutschland tritt im Halbfinale gegen Brasilien an, den Gastgeber der Weltmeisterschaft. Wie das "bestmögliche" Halbfinale ausgeht, ist nun die heiß diskutierte Frage. Können die Brasilianer ohne ihren Stürmer-Star Neymar und ohne Kapitän Thiago Silva als Team auftreten? Oder schafft es die deutsche Mannschaft in einer ihrer je nach Situation anpassbarer Startformation zu bestehen? Wir werden es erst heute Abend wissen.

Wie viel wiegt der Heimvorteil wirklich?

Aber eins steht schon vorab fest: Die gelben Fans werden ihre Mannschaft mit dem immer wiederkehrenden Gesang anfeuern, ja gar anpeitschen. Der Heimvorteil liegt also bei Brasilien.

Dass der zwölfte Mann, das Publikum, solch großen Einfluss auf die Spieler hat, gilt als erwiesen. Ob er aber wirklich positiven Einfluss hat, ist so einfach nicht zu sagen. Wer derart euphorisch angetrieben wird, spürt auch den Erfolgsdruck, der dahintersteht – und kann so psychisch schnell an die eigenen Grenzen stoßen. Schon seit Jahrzehnten versuchen Sportwissenschaftler herauszufinden, warum die Leistung infolge der Stimmung unter den Fans schwanken kann.

Es erübrigt sich also, Fangesänge, La-Ola-Welle und stürmischen Applaus beim allmorgendlichen Eintreffen der Mitarbeiter einzuspielen, um sie leistungsbereit in den Arbeitstag zu schicken. Zu ungewiss ist die Folge, dieser Motivationsmaßnahme – und bei mehr als fünf Mitarbeitern auch schon ein ganz schönes Getöse.

Das Auswärtsspiel mit der Chef-Ansprache bestehen

Damit ist auch klar: Deutschland hat Chancen. Wenn es der Heimvorteil nicht ist, der über den Sieg entscheidet, kann es ja noch die gute alte Kabinenansprache richten – wie genau die aussehen sollte und was Personaler von diesen sportlichen Motivationsfeuerwerken lernen können, lesen Sie in unserer WM-Kolumne unter dem Titel "Von der Kabinenansprache lernen".  

Die Kanzlerin steht heute allerdings nicht als Motivations-Backup in der Kabine bereit. Denn die kann frühestens wieder zum Finale nach Brasilien, sagt ihr voller Terminkalender. Mindestens für Lukas Podolski, der voll Freude sein Selfie mit der Kanzlerin nach dem vergangenen Kabinenbesuch verbreitet hat, könnte das auch noch ein Motivator sein, bis zum Finale durchzukommen.

Anerkennung mit Anwesenheit zeigen

Der Besuch vom obersten Chef in der Kabine – oder im Büro – ist insgesamt kein schlechter Gedanke. Der Chef zeigt mit seiner bloßen Anwesenheit Anerkennung – die Anerkennung, die sich so viele Unternehmen in der Theorie auf ihre Fahnen und in ihre Handbücher und Führungsleitfäden geschrieben haben; die Anerkennung, die motivieren könnte, aber häufig fehlt.

Der bekannte Vertriebstrainer Lothar Stempfle meint sogar, dass mehr Kontakt zwischen Top-Managern und Mitarbeitern eine "Selbstkastration der Führungsriege" durch konkurrierende Middle Manager verhindern könnte, wie er in der wirtschaft + weiterbildung, Ausgabe 6/2014, aufzeigt. Ein guter Nebeneffekt bei der Motivation der Mitarbeiter.

Die Kakerlaken-Regel ist einfach

Was den Effekt der Anwesenheit des Chefs und des Zuschauens bei der Arbeit angeht, gibt es übrigens nicht nur im Sport zahlreiche, kreative Studien. So haben Forscher in einem Experiment die Laufzeit von Kakerlaken gemessen: Sie waren schneller, wenn ihre Artgenossen zuschauten. Allerdings liefen sie auch langsamer, wenn die Aufgaben, die sie lösen mussten, komplexer wurden. Die Forscher schlussfolgerten aus diesem Kakerlaken-Experiment, dass es bei einfachen Aufgaben guttut, wenn Zuschauer vor Ort sind, bei komplexen Aufgaben verkehrt sich das ins Gegenteil.

Wir werden also doch warten müssen – auf das Spiel heute Abend. Verhalten sich die deutschen Spieler wie Kakerlaken, könnten sie eine Chance haben – so lange die Brasilianer ihnen keine allzu komplexe Aufgabe stellen. Dann könnten die deutschen Fans als weiß-gekleidete Punkte in der gelben Menge doch den Unterschied ausmachen. Aber vielleicht ist es am Ende doch das Glück, die Schiedsrichteraugen oder die Angst des Tormanns beim Elfmeter, die entscheiden. Wir werden sehen ...

Viel Spaß beim Zuschauen!

Autorin: Kristina Enderle da Silva ist Redakteurin im Personalmagazin.