Betriebliches Gesundheitsmanagement: überzogene Ziele

Deutsche Arbeitnehmer gehen regelmäßig über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und vernachlässigen dabei ihre Gesundheit. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Gesundheitsstudie. Verantwortlich für die Gesundheitsgefährdung sind demnach neben einem hohen Arbeitspensum auch überzogene Zielvorgaben.

Deutschlands Arbeitnehmer gehen offenbar nicht gerade zimperlich mit ihrer Gesundheit um. Einer Studie zufolge gönnen sich nämlich viele nicht die nötige Erholung, um gesund zu bleiben oder zu werden: Knapp ein Viertel verzichtet demzufolge gänzlich auf Pausen bei der Arbeit, und jeder Achte arbeitet auch dann, wenn er krank ist. Hinzu kommen 18 Prozent, die angeben, regelmäßig die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit zu erreichen. Jeder vierte Befragte glaubt zudem, das Tempo, das er im Job vorlegt, langfristig nicht durchhalten zu können.

Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie des Projekts "Gesundheitsmonitor" von der Bertelsmann Stiftung und der Barmer GEK, dessen Verantwortliche seit zehn Jahren Entwicklungen in der Gesundheitsversorgung untersuchen. Die Studienautoren befragten für ihre Studie rund 1.000 Vollzeitbeschäftigte repräsentativ.

Wer seine Ziele erreicht, muss noch mehr leisten

Neben dem Verzicht auf Erholung stellten die Autoren weitere Risiken für die Gesundheit der Mitarbeiter fest: Viele gefährden sich demnach auch, indem sie als leistungssteigernd geltende Substanzen konsumieren oder Sicherheits-, Schutz- und Qualitätsstandards unterlaufen.

Ein Grund dafür, dass die Befragten ihre Gesundheit gefährden, ist offenbar der Druck, von oben auferlegte Ziele zu erfüllen, die immer anspruchsvoller werden: 42 Prozent der Befragten finden, dass ihr Arbeitsumfeld durch steigende Leistungs- und Ertragsziele geprägt ist, und 40 Prozent haben eigenen Angaben zufolge keinen oder nur einen geringen Einfluss auf ihre Arbeitsziele. Auch in puncto Arbeitspensum halten sich viele Befragte für nur wenig handlungsfähig: Jeder Zweite gibt an, darauf keinen oder nur geringen Einfluss zu haben.

Doch auch, wenn die Mitarbeiter ihre Ziele erreichen, ergeht es ihnen den Studienerkenntnissen zufolge nicht besser: Denn in diesem Fall gelte die übersprungene Messlatte schnell als neuer Standard. Jeder zweite Arbeitnehmer sieht sich in dieser Leistungsspirale gefangen.

Realistische Ziele für ein gesünderes Arbeitsumfeld

Die Projektpartner von Bertelsmann und Barmer GEK fordern folglich von den Arbeitgebern Verbesserungen in Hinblick auf Zielvereinbarungen. "Das Management kann die Leistungskultur maßgeblich beeinflussen und durch realistische Arbeitsziele ein gesünderes Arbeitsumfeld schaffen", sagt Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Die Studienautoren, Anja Chevalier von der Deutschen Sporthochschule Köln und Professor Gert Kaluza vom GKM-Institut in Marburg, schlagen in diesem Zusammenhang vor, Arbeitsbedingungen so auszurichten, dass ein gesundheitsförderndes Arbeits- und Leistungsverhalten des Einzelnen möglich wird. Wenn regelmäßig offene, verbindliche und realistische Zielvereinbarungsgespräche geführt würden und die vereinbarten Ziele innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit erreichbar seien, reduziere dies das selbstgefährdende Verhalten.

Dass in der Praxis in der Tat mancher Arbeitgeber Nachhilfe im Fach "Zielvereinbarungen" braucht, belegte kürzlich ein aufsehenerregender Fall von unrealistischer Zielsetzung: Die Geschäftsführung der internationalen Gartenschau in Hamburg hatte ihren Mitarbeitern als Ziel 2,5 Millionen Besucher vorgegeben – was das Hamburger Arbeitsgericht letztlich als unrealistisch beurteilte, weil eine individuelle Leistungskomponente fehle.

Was diesbezüglich in Unternehmen besser laufen sollte und wie Vorgesetzte realistische Ziele setzen, lesen Sie in unserer News-Serie zum Thema "Zielvereinbarungen".