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Agilität: Definition, Bedeutung und Herkunft des Begriffs

Was ist Agilität und wie kann ein Unternehmen agil werden? Betrachtet man die verschiedenen Definitionen von Agilität in der Literatur, so kristallisiert sich heraus, dass die Agilität im wesentlichen durch vier Dimensionen gekennzeichnet ist.

Agilität ist kein neues Thema, sondern existiert bereits seit fast 70 Jahren in unterschiedlichen Facetten und Ausprägungen. Es erhält aber durch die Digitalisierung eine größere Bedeutung und eine hohe Aktualität. Allerdings bleibt der Begriff Agilität in Publikationen und im beruflichen Sprachgebrauch häufig nach wie vor unscharf – oder optimistischer ausgedrückt – schillernd. Nachfolgend ein Überblick über Definitionsansätze aus wissenschaftlicher Literatur und in der Praxis.

Agilität: Definition und Herkunft des Begriffs

Das Konzept der Agilität gibt es seit den 1950er-Jahren in der Systemtheorie von Organisationen. Dabei kann stellvertretend auf den amerikanischen Soziologen Talcott Parsons verwiesen werden, der vier Funktionen identifiziert hat, die jedes System erfüllen muss, um seine Existenz zu erhalten. Er beschreibt dabei die Fähigkeit eines Systems, auf die sich verändernden äußeren Bedingungen zu reagieren (Adaptation), Ziele zu definieren und zu verfolgen (Goal Attainment), Kohäsion (Zusammenhalt) und Inklusion (Einschluss) herzustellen und abzusichern (Integration) und grundlegende Strukturen und Wertmuster aufrechtzuerhalten (Latency). Aus den Anfangsbuchstaben dieser vier Funktionen ergibt sich das bekannte AGIL-Schema.

Ein Blick auf die Geschichte der Agilität zeigt drei Entwicklungswellen:

  1. Agile Manufacturing: Seit den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts taucht das Konzept in veränderter Form unter „agile Manufacturing“ wieder auf. Im Fokus stehen die schnelle Produktentwicklung (Simultaneous Engineering), multi-funktionale Teams und die ständige Optimierung der Produktionsabläufe während des Prozesses. Durch die aktuellen Diskussionen um Industrie 4.0 erfährt die agile Produktion eine weitere und tiefergehende Befassung mit dem Thema.
  2. Agile Softwareentwicklung: Schließlich findet sich Agilität seit Beginn des 21. Jahrhunderts unter der Überschrift der agilen Softwareentwicklung und verstärkt durch Methoden wie „Scrum“ wieder. Dabei gibt es mit der Formulierung des sogenannten „agilen Manifests in der Softwareentwicklung“ eine Art Handlungsorientierung, nach welchen Prinzipien die Entwicklung von Software gestaltet sein sollte, damit sie als agil zu bezeichnen ist und die damit postulierten Vorteile tatsächlich zum Tragen kommen.
  3. Die agile Organisation: Die aktuellen Megatrends in der Arbeitswelt bringen ganz neue Herausforderungen mit sich, bei denen das jahrzehntealte Konzept der Agilität eine Renaissance erfährt und einen praktischen Nutzen bieten kann. Neu ist dabei, dass aktuell viele Unternehmen das Thema der Agilität nicht auf einen Teil ihrer Organisation, sei es die Produktion oder die (Software-)Entwicklung beschränken, sondern eher Fragen wie die Transformation von Unternehmensbereichen oder sogar ganzen Unternehmen in Richtung Agilität im Fokus stehen.

Agilität: Definition und Bedeutung des Begriffs in der Praxis

Inzwischen liegen erste quantitative Studien zur Verbreitung und Ausgestaltung von agilen Methoden und Praktiken in Unternehmen in Deutschland vor. Notwendigerweise können diese Befragungen jedoch nur schwer eruieren, welche Konzepte und begriffliche (Vor-)Verständnisse von Agilität oder agilen Methoden die Befragten überhaupt zugrunde legen. Daher hat das Institut für Personalforschung (IfP) an der Hochschule Pforzheim eine explorativ angelegte qualitative Studie durchgeführt. Mehr zu dieser Studie lesen Sie im Beitrag: "Was ist Agilität und welche Vorteile bringt eine agile Organisation?"

Die vier Dimensionen von Agilität: Geschwindigkeit, Anpassungsfähigkeit, Kundenzentriertheit und Haltung

In der Studie kristallisierte sich heraus, dass in der Praxis unter Agilität vier zentrale Aspekte verstanden werden: Geschwindigkeit, Anpassungsfähigkeit, Kundenzentriertheit und Haltung. Unter Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit wird verstanden, dass Organisationen schnell und dynamisch auf Veränderungen reagieren und sich schnell an Veränderungen anpassen müssen.

Der dritte zentrale Aspekt ist die stärkere Kundenzentriertheit, die durch Agilität erzielt wird oder werden soll. Hier sind es vor allem die kurzen Zyklen und Iterationen, das Vorwärtsgehen in kleinen Schritten und die Möglichkeit punktuell und schnell auf Kundenwünsche zu reagieren.

Neben Geschwindigkeit, Anpassungsfähigkeit und Kundenorientierung benennen die Studienteilnehmer einen weiteren für sie zentralen Aspekt: die agile Haltung. Diese agile Haltung, manchmal auch als agiles Mindset bezeichnet, umfasst verschiedene Punkte bezüglich (veränderter) Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder. Wesentlich ist demnach ein wertschätzender Umgang, der eine Begegnung auf Augenhöhe ermöglicht.

Mehr zu agilen Methoden der Arbeitsgestaltung lesen Sie hier.

Agilität vs. Flexibilität: Was ist der Unterschied?

Häufig werden die Begriffe Agilität und Flexibilität synonym verwendet. Tatsächlich ist eine Abgrenzung schwierig. Beide Begriffe bedeuten im Kern „Anpassungsfähigkeit“. Eine mögliche Unterscheidung stellt die Art der Anpassung – ob re-aktiv oder pro-aktiv – dar. Flexibel wäre demnach rein reaktive Anpassung während agil laut Wikipedia-Definition darüber hinaus bedeutet, proaktiv, antizipativ und initiativ zu agieren, um notwendige Veränderungen einzuführen.

Fazit: Agilität als höchste Form der Anpassungsfähigkeit

Agilität kann somit als höchste Form der Anpassungsfähigkeit verstanden werden. Ein agiles Unternehmen hat die Fähigkeit Veränderungen möglichst rechtzeitig zu antizipieren und dabei der Konkurrenz möglichst zwei Schritte voraus zu sein. Sie reagieren nicht nur auf Rahmenbedingungen, sondern sind selbst innovativ. Sie sind fähig als Organisation ständig zu lernen und dieses Wissen allen relevanten Personen zur Verfügung zu stellen. So wird Agilität zu einem essenziellen Faktor für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und damit für das Überleben eines Unternehmens.

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