Rz. 60

Der Betriebsrat kann dem Betriebsausschuss mit Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder Aufgaben zur selbstständigen Erledigung übertragen.

8.1 Für die Übertragung zugelassene Angelegenheiten

 

Rz. 61

Im Gegensatz zu den laufenden Geschäften kann dies auch Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte betreffen. Auch die komplette Übertragung eines einzelnen Mitbestimmungstatbestands zur Bearbeitung und Entscheidung ist zulässig, z. B. die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte bei personellen Maßnahmen (BAG, Urteil v. 17.3.2005, 2 AZR 275/04[1]; BAG, Urteil v. 22.3.1979, 2 AZR 361/77; BAG, Beschluss v. 1.6.1976, 1 ABR 99/74; BAG, Urteil v. 4.8.1975, 2 AZR 266/74; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 21.8.2014, 10 TaBV 671/14). Der Gesetzgeber dachte u. a. auch an die Verwaltung von Sozialeinrichtungen[2] oder den Einblick in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter (§ 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG). Auch die Teilnahme an den Monatsgesprächen mit dem Arbeitgeber kann dem Betriebsausschuss übertragen werden[3]. Eine Grenze ist allerdings erreicht, wenn er sich aller wesentlichen Befugnisse entäußert hat. Er muss in einem Kernbereich der gesetzlichen Befugnisse zuständig bleiben (BAG, Beschluss v. 20.10.1993, 7 ABR 26/93[4]; BAG, Urteil v. 17.3.2005, 2 AZR 275/04[5]; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 21.8.2014, 10 TaBV 671/14).

[1] NZA 2005, 1064.
[2] BT-Drucksache VI/1786, S. 39.
[4] NZA 1994, 567-671.
[5] NZA 2005, 1064.

8.2 Ausnahmen

 

Rz. 62

Ausgeschlossen ist die Übertragung auf den Betriebsausschuss in folgenden Fällen:

  • Abschluss einer Betriebsvereinbarung (§ 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG)[1]
  • Anrufung der Einigungsstelle[2]
  • Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmervertreters nach § 103 Abs. 1 BetrVG[3]
  • Organisatorische Entscheidungen des Betriebsrats wie Wahl seines Vorsitzenden und dessen Stellvertreters, Wahl der Mitglieder von Ausschüssen; Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder; Bildung von Arbeitsgruppen[4]
  • Entscheidungen, für die das Gesetz die Mehrheit der Mitglieder des Betriebsrates vorsieht (z. B. § 27 Abs. 2 BetrVG: Wahl der weiteren Betriebsausschussmitglieder, § 28a Abs. 1 BetrVG: Übertragung bestimmter Aufgaben auf Arbeitsgruppen; § 36 BetrVG: Beschluss einer Geschäftsordnung[5]; Rückübertragung von Aufgaben von Ausschüssen auf den Betriebsausschuss
  • Aufgaben, die in den Zuständigkeitsbereich des Betriebsratsvorsitzenden fallen[6]; zulässig ist allerdings, dem Betriebsausschuss die Aufgaben des Wirtschaftsausschusses zu übertragen (§ 107 Abs. 3 BetrVG).
 

Rz. 63

Abgesehen von den vorgenannten Grenzen unterliegt die Entscheidung des Betriebsrats, Aufgaben dem Betriebsausschuss zur selbstständigen Erledigung zu übertragen, keiner Zweckmäßigkeits-, sondern nur einer Rechtsmissbrauchskontrolle (BAG, Beschluss v. 20.10.1993, 7 ABR 26/93[7]). Der Betriebsrat kann dem Betriebsausschuss Weisungen erteilen oder allgemeine Richtlinien aufstellen. Das kann auch einschließen, dass dem Betriebsausschuss aufgegeben wird, bestimmte Beschlüsse mit besonderen qualifizierten Mehrheiten zu treffen[8].

[1] Ebenso der Abschluss von formlosen Regelungsabreden, die nach ihrem materiellen Gehalt als Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden müssten, ArbG Berlin, Beschluss v. 16.11.2009, 19 BV 11063/09, n. v.
[2] LAG München, Beschluss v. 29.10.2009, 4 TaBV 62/09 (wenn die Anrufung zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung führt); Däubler/Wedde, § 27 BetrVG Rz. 37; ErfK/Eisemann, § 27 BetrVG Rz. 7; a. A. Richardi/Thüsing, § 27 BetrVG Rz. 66.
[3] LAG Berlin, Beschluss v. 16.10.1979, AuR 1980, 29.
[6] Richardi/Thüsing, § 27 BetrVG Rz. 60.
[7] NZA 1994, 567-671.
[8] Däubler/Wedde, § 27 BetrVG Rz. 38.

8.3 Anforderungen an den Übertragungsbeschluss

 

Rz. 64

Der Übertragungsbeschluss ist vom Betriebsrat mit den Stimmen der Mehrheit seiner Mitglieder zu fassen. Es kommt somit nicht darauf an, wie viele Betriebsratsmitglieder bei Beschlussfassung anwesend sind. Entscheidend ist die gesetzliche Zahl der Mitglieder, deren Hälfte übertroffen werden muss.

 
Praxis-Beispiel

Ein Betriebsrat hat 17 Mitglieder. Die Mehrheit der Mitglieder ist daher erst erreicht, wenn 9 Mitglieder für die Übertragung stimmen, selbst wenn bei Beschlussfassung drei Mitglieder sowie ggf. deren Ersatzmitglieder fehlen.

 

Rz. 65

Sofern eine Angelegenheit übertragen werden soll, die überwiegend die Jugendlichen und Auszubildenden betrifft, ist sowohl die Mehrheit der Mitglieder des Betriebsrats als auch diejenige der Mitglieder der JAV erforderlich[1].

 

Rz. 66

Der Übertragungsbeschluss ist schriftlich niederzulegen und vom Betriebsratsvorsitzenden zu unterschreiben. Er kann aber auch im Protokoll der Betriebsratssitzung enthalten sein (BAG, Beschluss v. 20.10.1993, 7 ABR 26/93[2]). Der Beschluss hat genau aufzuführen, welche Angelegenheiten in welchem Umfang übertragen werden. Er muss somit hinreichend bestimmt sein[3]. Eine Mitteilung des B...

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