Wir sind alle per Du!  Kann der Chef die Anrede vorgeben?

Das "Du" in Unternehmen ist nicht mehr ungewöhnlich. Der BASF-Chef will, dass seine Mitarbeiter auf Titel und förmliche Anrede verzichten. Welche rechtlichen Grenzen zu beachten sind, erläutert Rechtsanwalt Dr. Markus Diepold, Kanzlei Dentons (Berlin).

Früher war alles einfacher. Es war selbstverständlich, dass man sich im Unternehmen gesiezt hat. Geduzt wurde man nur, wenn es von der Dame dem Herrn, von dem Älteren dem Jüngeren und von dem Vorgesetzten dem ihm unterstellten Mitarbeiter angeboten wurde.

Diese Praxis hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Auch wenn diese Regel immer noch praktikabel ist, sind gerade viele Unternehmen aus "jüngeren" Branchen dazu übergegangen, ihren Mitarbeitern vorzugeben, sich zu duzen. Bezweckt wird mit Regeln über das "Du" ein bewusst kollegialer Stil mit möglichst flachen Hierarchien. Aber auch bei ausländischen Konzernen ist es üblich, dass diese ihre in Deutschland tätigen Mitarbeiter duzen.

Haufe Online-Redaktion: Gibt es rechtliche Grenzen für das zwingende "Du" im Unternehmen? Hat ein Arbeitnehmer einen vertraglichen Anspruch, im Unternehmen gesiezt zu werden?

Dr. Markus Diepold: Einen vertraglichen Anspruch eines Mitarbeiters, geduzt oder gesiezt zu werden, gibt es grundsätzlich nicht. Soweit Gerichte entschieden haben, ob ein Mitarbeiter ein Recht hat, gesiezt oder geduzt zu werden, wurden vertragliche Ansprüche auf ein „Sie“ oder ein „Du“ am Arbeitsplatz verneint. Rechtlich eingeordnet wird diese Problematik bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers, das auch innerhalb eines Arbeitsverhältnisses zu beachten ist.

Haufe Online-Redaktion: Ist es nach dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zulässig, einem Mitarbeiter vorzuschreiben, in welchen Fällen er das Du zu verwenden hat und in welchen Fällen nicht?

Diepold: Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht können gerechtfertigt sein. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte in einem Fall eines Beschäftigten einer Modekette vor einiger Zeit entschieden, dass ein Arbeitnehmer in diesem Fall kein Recht hatte, gesiezt zu werden. Es stützte seine Begründung darauf, dass es in einem bestimmten Kreis absolut üblich sein könne, sich zu duzen. Wenn daher das Duzen in einem Betrieb absolut üblich sei und die Belegschaft dieses Verhalten verinnerlicht habe, könne auch das Duzen der Mitarbeiter untereinander zulässig sein. Meines Erachtens ist diese Entscheidung aber nicht richtig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht muss von einem Arbeitgeber beachtet werden. Er kann das Duzen nicht verlangen, jedenfalls nicht mit dieser Begründung.

Haufe Online-Redaktion: Wie verhalten sich denn Betriebsräte bei derartigen innerbetrieblichen Umgangsformen? Müssen diese nicht beteiligt werden?

Diepold: Betriebsräte haben bei Regelungen, ob innerhalb eines Betriebes geduzt oder gesiezt werden soll, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Wenn es ein Betriebsrat möchte, kann er daher dieses Thema in eine Einigungsstelle einbringen. Üblicherweise werden zwischen den Betriebsparteien nur Regelungen aufgestellt, nach denen das Du oder Sie von dem Unternehmen gewünscht wird, aber keine Pflicht zum Duzen besteht.

Haufe Online-Redaktion: Muss der Arbeitgeber einschreiten, wenn es keine verbindliche Regelungen über die Umgangsform gibt, ein Mitarbeiter aber geduzt wird, obwohl er dies nicht möchte?

Diepold: Der Arbeitgeber muss dafür Sorge tragen, dass die Rechte eines Arbeitnehmers nicht verletzt werden. Dies gebietet seine Fürsorgepflicht gegenüber dem Mitarbeiter. Das Unternehmen kann daher verpflichtet sein, andere Arbeitnehmer anzuweisen, das Duzen eines Kollegen zu unterlassen, wenn dieser es nicht möchte.

Haufe Online-Redaktion: Berichten Personalverantwortliche, bei denen betriebsweit das „Du“ verwendet wird, über Probleme bei der Arbeit?

Diepold: Ja, das merkt man ab und zu bei Personalverantwortlichen. Es wird als schwerer empfunden, gegenüber einem Mitarbeiter, mit dem man per Du ist, Personalmaßnahmen zu ergreifen. Das Du wird hierzulande immer noch mit einer zwischenmenschlichen Nähe verbunden. Einem Mitarbeiter, mit dem man per Du ist, zum Beispiel eine Kündigung eines Arbeitsverhältnisses im Personalgespräch mitzuteilen ist in diesen Fällen nicht die einfachste Aufgabe.

Das Interview führte Renate Fischer, Ass. jur

Dr. Markus Diepold ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Rechtsanwaltskanzlei Dentons, Berlin.